ßzuchi^ruie.
e/hMidcn
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Herausgeber
FRANZ GOERKE
Direktor der Urania in Berlin
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„Kunstformen“ von Hrnst Haeckel.
Eine Kolonie von Mantcliieren, deren einzelne Stücke aus strahliK
zusammengewachsenen Individuen bestehen.
Strahlenförmig zusammenge-
wachsene Einzelpersonen einer
Art von Manteltieren, einer
Abteilung von oft rück-
gebildeten, ausschließlich
im Meere lebenden
Würmern, die in
ihrer Entwicklung
den niederen
Wirbeltieren
nahe stehen.
Desmonema Annasethe.
Eine von Haeckel entdeckte und nach
seiner verstorbenen ersten Gattin Anna Sethe
benannte Scheibenqualle von der südafrika-
nischen Küste. Von der unteren Fläche hängen
4 blaue gekräuselte Mundgardinen, 2 orangcgelbc
Gonaden und zahlreiche bewegliche Fangläden herab.
(Aus „Kunatformen der Natur*
Von Ernst Hseckcl. .Mil Erlaubnis ä
Bibliographischen insiituls, Leiptis
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Zu «Leuchtende Stunden“. — Einzelvcrkauf dieses Blattes ist untersagt.
ERNST HAECKEL
1 NATUR ALS KÜNSTLERIN i
DR. W. BREITENBACH
FORMENSCHATZ DER SCHÖPFUNG
MIT 76 BILDERTAFELN
DARUNTER ZWEI FARBIGEN
U. BIS 30. TAUSEND
VITA DEUTSCHES VERLAGSHAUS, BERLIN-CH,
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Nachdruck verboten
Alle Rechte Vorbehalten
Copyright 1913 by Vita Deutsches Verlagshaus» Berlin-Charlottcnburg
Für Rußland behilt sich der Verlag das Übersetaungsrecht vor
Druck von Julius Sittenleld» Hofbuchdrucker.» Berlin
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Ernst Hacckcl, dem großen Forscher
und Führer in ein bis dahin unerschlossenes Wunderland, der in diesen
Blättern eine Auslese aus seinem an Erfolgen und Ehren reichen
Schaffen einem großen Leserkreise zugänglich macht, gilt auch heute,
bei Erscheinen der erfreulicher Weise so schnell nötig gewordenen
zweiten Auflage dieses Bandes, unser verehrungsvoller Gruß.
Wir grüßen ihn am Vorabend seines
80. Geburtstages,
den er am )6. Februar 1914 begehen kann; wir sind ihm dankbar,
daß er uns die Möglichkeit gab, die hier gezeigten Arbeiten als
eine von ihm dem deutschen Volke dargebrachte Geburtstagsgabe
in die Welt hinausgehen zu lassen.
Unvergeßlich wird mir der sonnige Herbsttag sein, der mich
nach Jena in des Forschers Heim geführt. Zwar war der greise
Gelehrte infolge eines Unfalls an den Lehnstuhl gebannt, aber
aus den lebhaften Augen seines imposanten Kopfes leuchtete noch
das Feuer der Jugend, seine deutsche Männlichkeit, seine Herzens-
fröhlichkeit, der Sonnenglanz, der von seiner Persönlichkeit aus-
ging. Und wenn auch aus seinen Worten, wie aus seinen vor-
her und später an mich gerichteten Briefen, die stille Resignation
des Alters klang, wenn er immer wieder und wieder die Gebrechen
der Jahre und seine Leiden betonte, die es ihm unmöglich machten,
in alter Arbeitsfreudigkeit zu schaffen, so forderte die Frische seines
beweglichen Geistes ebenso die Bewunderung heraus wie die Fülle
seines hundertfältigen Wissens.
Und vor meinem staunenden Auge enthüllte sich die Märchen-
welt voll wunderbarer Schönheiten, der die Lebensarbeit dieses
Mannes gegolten hat. Fach um Fach öffnete sich und in Bildern
und Drucken, in Photographien und Aquarellen traten die tausend-
fachen wunderbaren und merkwürdigen Gebilde hervor, die
die Natur geschaffen und die dennoch aussehen, als ob eines
vollendeten Künstlers Hand, von schöpferischer und unerschöpflicher
Phantasie geleitet, sie gestaltet habe.
Nur allzu rasch verging die Zeit, und als ich Abschied nahm,
da blieb mir nicht nur die Erinnerung an einige in Haeckels
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»— • *^0! • »--tCX • 34)^ • O »-^ • 141— «»H^I9»^»h^34»— #l4l-^34)-^l4l-^a
stiller Gelchrtenstube verbrachte unvergeßliche Stunden, sondern
auch ein dauerndes Andenken — die uneingeschränkte Erlaubnis,
aus dem reichen Schatz seiner Werke einiges in die breite Öffent-
lichkeit zu tragen und aus ihnen den für diesen Band vorgesehenen
Stoff entnehmen zu dürfen.
So sollen denn in diesem Bande eine Reihe seltsamer und
formenschöner Gebilde gezeigt werden, die nicht nur Haeckels
kunstfreudiges Auge entzückten, sondern die auch auf jeden Be-
schauer einen nachhaltigen Eindruck machen müssen.
Dem ersten, lediglich Haeckelsche Arbeiten bringenden Teil
lasse ich ein von seinem Schüler W. Breitenbach gesichtetes und
mit Text erläutertes Material folgen, das in bemerkenswerten und
zum T eil selten gezeigten Photographien den von Haeckel stammen-
den Bestand ergänzt und erweitert.
Auch dieser zweite Teil ist reich an charakteristischen, teils
grotesken, teils schönen Gebilden und beweist seinerseits, wie wohl-
berechtigt die Bewunderung ist, die der liebevolle Beobachter der Natur
dem unermeßlichen Formenschatz der Schöpfung entgegenbringt.
Mag es auch Haeckel oft verdacht werden, daß seine Lehre den
Glauben an einen Gott beeinträchtige, so werden viele ihm danken
müssen, daß sie durch ihn im Urgrund der Natur ihren Gott
fanden, denn im Genuß der Naturschönheiten — in welcher Form
sie sich auch offenbaren mögen — wird unsere Naturbetrachtung
zum Gottesdienst.
Neujahr 19 14. FRANZ GOERKE.
Das Gelingen dieses Bandes, der eine fast zweijährige Vorbereitungszeit erforderte,
wäre nicht zu denken ohne die schätzenswerte Hilfe einer Reihe von Mitarbeitern, deren
hier mit besonderem Dank Erwähnung getan sei. Photographisches Material lieferten:
Fratelii Alinari, Florenz; R« Diederichs, Eutin; Hans Dopfer, München; E« Dubois-Reymond,
Berlin; Die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft, Berlin; Gebrüder Haeckel, Berlin;
F« C. Heinemann, Erfurt; Internat. Photo-Archiv M. Koch, Berlin: Henry Irving, Goldthoro,
Letchworth; Professor Dr. Otto Lehmann, Karlsruhe; £. May, Oschatz; H. Oesterreich,
Berlin; £* Reukauf, \Feimar: Georg £. F. Schulz, Friedenau; Dr. Franz Stoedtner, Berlin;
Technophotographisebes Archiv H. Herzberg, Friedenau« — Ferner stellten das Natur-
wissenschaftliche Institut Linnaea und Herr Eugene Rey in Berlin ihre Sammlungen zur
Verfügung. — Für Gewährung der Abdrucksberechtigung sei den Verlagen: Gustav Fischer,
Jena; Bibliographisches Institut (Meyer), Leipzig; Castell and Co, Ltd., London und der
Franckbschen Verlagshandlung, Stuttgart der gebührende Dank abgestattet« — Die künst-
lerische Ausstattung leitete Kunstmaler Carl Vogel in Berlin, der Unoschlag und Deckel
zeichnete; das Initial Seite 9 ist von Fritz Saleoder, die übrige Anordnung von Julius
Klinger io Berlin. Der Herausgeber.
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Nur durch das Morgentor des Schönen
Drangst du in der Erkenntnis Land.
(SchUIer)
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Natürliche Gebrauchsmodelle. Tiere und PfUnzcngcbilde» die die Form von Gefäßen — Bechern, Urnen,
TcUern — haben. Link« Reihe (von c4>cii rudi unteo){ Beutehtem, Ptlttierc* minfere Reihe: Schachtellingc (Diatomea)*
Beulelstern, Wunderstrahliogs red>ie Reihe: Umensternc* (Aus «.Haedief. Kun^tformen der Narur^. Mit Erlaubnis des Bihlio«
gra|»hiidten Inslituls, Leipzig.)
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Ernst Haeckel
I
Die Natur als Künstlerin*
der fünfzig' Jafire meiner mikroskopi-
schen Forschung;en, besonders seit dem Er-
scheinen meiner ersten Radiolarien-Mono-
graphie (I862)> ist es mir häufigf begeg;net,
daß teilnehmende Freunde und tttliHigc Be-
sucher« denen ich meine 2^chnungen zeig^
oder atich die Objekte selbst unter dem
Mikroskope vorführen konnte« in lebhaftes
Erstaunen über die Schönheit und Mannig-
faltigkeit dieser ««verborgenen Kunstwerke
der Natur" gerieten. Enthusiastische Be-
wunderer« Naturfreunde wie Künstler« riefen
auss ««Wie ist es möglich« daß die Natur
mit soviel Geschmack und Erfindungskraft
so auserlesene Kunstwerke produziert! Wie
ist cs zu erkliren« daß die einfache« dem unbewaffneten Auge unsichtbare Zelle so
wundervolle Gebilde schafft? Ohne Gehirn und Äugen« ohne Hände und Werkzeuge?
Und wozu wird soviel Schönheit und Reiz in der geheimen mikroskopischen Welt ver-
schwendet?" Es kam wohl auch vor« daß ein skeptischer« dem Mikroskope miß-
trauender Besucher die Existenz dieser erstaunlichen ««Kunstwerke der 21elle" direkt
leugnete oder die Bßder für optische Täuschungen erklärte. Ein anderes Mal behauptete
ein naiver Laie« daß solche Tiere und Pflanzen gar nicht existieren könnten« und daß
meine Abbildungen davon ««erfunden" seien. Dabei fiel mir die Geschichte von dem
Bauern ein« der im 21oologischen Garten zu Berlin zum ersten Male lebende Elefanten
und Rhinozerosse« Giraffen und Känguruhs sah. In sein heimatliches Dorf zurück-
gekehrt« rief er voll Enthusiasmus auss ««Nein« Kinder« das müßt ihr aber mal sehen;
da laufen lebendige Tiere herum« die es gar isicht gibtl"
Haexkd 2
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Was wissen wir über die Enfstehungr und das Wesen jener natürlichen Kunst-
forinen, die sich überall in der Natur finden und wie sie sich uns zumal in den Ra-
diolarien darstellen? Wir wissen heute« daß in allem Lebendigfen eine und dieselbe Sub-
stanz die materielle Grundlage« der aktive ««Schftpfer" ists das Plasma oder Protoplasma«
eine ursprünglich gleichartige« an sich formlose« festflüssige Substanz ohne ursprüngliche
Struktur. Das lebendige Plasma besitzt die Fähigkeit« allen möglichen Lebensbedin-
gungen sich anzupassen« und individualisiert sich gewöhnlich in Form einer einfachen
kernhaltigen Zelle. Während bei den einzelligen Protisten der ganze Körper zeitlebens
auf der Stofe der einfachen, selbständigen Zelle stehen bleibt« ist dieser Zustand bei den
vielzelligen Tieren und Pflanzen nur im Beginn der individuellen Existenz vorhanden.
Durch wiederholte Teilung der einfachen Eizelle erfolgt hier die Bildung von Geweben«
die in großer Mannigfaltigkeit die Organe zosammensetzen. Aber in allen Fällen wird
die Form sowohl dieser einzelnen Organe« wie die Gestalt des ganzen vielzelligen
Organismus durch die plastische Tätigkeit des Plasmas bedingt. Wir beobachten seine
Bewegungen und Formveränderungen und dürfen ihm nicht nur Empfindung und Ge-
dächtnis (Mneme) zoschreiben« sondern auch ein Seelenleben einfachster Art. Die Theorie
von der 2^ellseele« auf die ich zuerst vor fünfzig Jahren durch das Studium der Radiolarien
geführt wurde« ist allein imstande« uns auch ihre plastische Tätigkeit« ihren ««Kunsttrieb"
verständlich zu machen.
Unter allen Klassen der Protisten bieten in dieser Beziehung die Radiolarien oder
„Strahlinge" die lehrreichsten und interessantesten Verhältnisse; denn sie entfalten einen
größeren Reichtum an schönen und mannigfaltigen Formen als alle anderen Klassen von
Einzelligen« und gerade die wunderbare Kunst der lebendigen Zelle offenbart sich hier
in der erstaunlichsten Weise. Mehr als zwölf Jahre meines Lebens habe ich mit dem
Studium dieser kleinen Urtierchen verbracht und zuerst in einer Monographie der
Radiolarien von Messina (1862) den Grund zu meinen Protistenstudien gelegt. 25 Jahre
später habe ich dann auf Grund der märchenhaften Radiolarienschätze« die inzwischen
die Forschungsreise des englischen „Challenger" ((S74/76) aus den tiefsten Meeresgründen
gehoben hatte« eine zweite« viel umfangreichere Monographie in den ««Reports" der
Challenger-Expeditian veröffentlicht t über 4000 verschiedene Arten« verteilt auf 739
Gattungen« sind darin beschrieben.
Alle Radiolarien leben im Meere« millionenweise angehäuft im sogenannten ««Plank-
ton"« d. h. sie schweben im Wasser« sowohl an der Oberfläche wie in den verschiedensten
Meerestiefen« ohne jemals den Boden zu berühren oder sich festzusetzen. Der lebendige
Körper ist stets eine einfache« kernhaltige Zelle« umgeben von einer Gallerthülle« ur-
sprünglich einfachster Kugelform« später oft auch von Ei-« Linsen- oder Scheibengestalt.
Von der Oberfläche strahlen unzählige« äußerst feine Plasmafäden aus« die sich oft
verästeln und Netze bilden. Dkse veränderlichen ««Scheinfüßchen'* (Pseudopodien) dienen
nicht allein zur Ernährung oder Bewegung; sie sind auch die wuiuferbaren Künstler« die
durch Ausscheidung von glasartiger Kieselerde (bisweilen auch Kieselkalk) die charak-
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teris t fachen Skelette bervorbrin^en» Bald erscheinen diese als schüteende Gitterschalenf
bald als sternförmig Gebilde, die aus bestimmten, im 2^trum des Körpers vereinigt^
Radialstacheln easammengcsetet sind. Auch die einfachen oder mehrfach eusammen-
gesetzten Gitterschalen sind außen meistens mit sehr regelmäßig angeordneten Radial-
stacheln bewaffnet. Sowohl die Verzierungen dieser Stacheln, als auch die Ornamente
der Schalen selbst und ihre Gitterbildung sind äußerst mannigfaltig und liefern die Mittel
zur Unterscheidung der Tausende von Arten. Innerhalb der Art aber vererbt sich die
charakteristische Skelettform ebenso (relativ konstant) wie bei den vielzelligen Arten des
Tier- und Pflanzenreichs. Diese starren Fortsätze der Schalen, die weit über deren Ober-
fläche hervorragen, dienen teils zum Schutze des weichen, lebendigen Körpers (als Ab-
wehr gegen Feinde), teils als feste Stütze, teils als Schwebeapparate, die das Untersinken
der Zelle verhindern.
Sie entstehen nun diese wunderbaren Gebilde? Wir haben uns auf Grund
der modernen Entwicklungslehre überzeugen müssen, daß jede Zelle,
ebenso wie jeder vielzellige Organismus sich aus eigener Kraft selbst
entwickelt, durch die physikalische oder chemische Energie seiner leben-
digen Substanz. Bei den Radiolarien kann es also nur das Plasma
des 21ellenkörpers und der von ihm ausstrahlenden Scheinfüßchen sein, das die
Kieselskelette aufbaut. Die Art und Weise dieser Fabrikation, die bestimmte Gesetz-
mäßigkeit in der Struktur und das sonstige Verhalten in ihrem Zellenleben über-
zeugen uns leicht, daß dieses lebendige Plasma nicht nur Bewegung, sondern auch
Empfindung besitzt, namentlich „plastisches Distanzgefühl". Die auffällige Zweck-
mäßigkeit im Bau der Radiolarienschale erklärt sich nach der Selektionstheorie einfach
durch die Wechselwirkung der Anpassung und Vererbung unter dem regulierenden Ein-
flüsse des Kampfes ums Dasein. Von besonderer Wichtigkeit ist dabei das unbewußte
Zellengedächtnis, die „Mneme", wie Richard Semon es genaimt hat. Dieses Zellen-
gedächtnis erklärt uns auch die erblichen Kunstformen der Radiolarien, die Tatsache,
daß die Kunsttriebe dieser einzelligen Lebewesen — ebenso wie andere ,4ostinkte" —
mechanisch und monistisch zu beurteilen sind.
Die Ähnlichkeit vieler Radiolarienskelette mit den Erzeugnissen menschlicher Kunst-
tätigkeit ist höchst auffallend. Da finden wir beispielshalber eine großartige Rüstkammer
von allen möglichen Waffen vort Schutzwaffen in Form von Panzerhemden und Helmen,
Schilden und Schienen; Angriffswaffen in Form von Spießen und Lanzen, Pfeilen und
Enterhaken. Da finden wir ferner die zierlichsten Schmuckstücke; Kronen und Diademe,
Ringe und Ketten; Ordensdekorationen i Kreuze und Sterne usw. in uiwndlicher Mannig-
faltigkeit. Viele dieser Kunstformen sind im ganzen und im einzelnen den Produkten
hochentwickelter menschlicher Kunst so ähnlich, daß man in beiden auf die Gleichheit
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des tchfipferischen Kunsttriebes scblieBen könnte. Und doch liegt nur Konyergem heidn
Produkte vor. BewuBtsein können wir in der Zellseele der Radiolarien so wenig an-
nehmen, wie im Seelenleben der Pflanzen und der meisten niederen Tiere. Vielmehr
müssen wir ihnen unbewußte Empfindung zuschreiben in dem Sinne, dca ich im
zehnten Kapitel meiner „Welträtsel" und im dreizehnten Kapitel der ,J.ebenswunder"
näher erläutert habe.
Der wesentliche Unterschied zwischen den Kunstwerken des Menschen und den
Kunstformen der Natur liegt also darin, daß die ersteren mit mehr oder weniger klarem
Bewußtsein, zielstrebig, von Gehirn und Menschenhand erschaffen wurden, die letzteren
hingegen unbewußt, ohne vorgefaßte innere Absicht, nur durch die Anpassung des
Plasmas an die Leboisbedingungen der Außenwelt. Man kann die Kunsttriebe der
Protisten geradezu als „plastische Zellinstinkte" bezeichnen; denn sie stehen auf
derselben Stufe der Seelentätigkeit wie die bekannten Instinkte der höheren, vielzelligen
Tiere und Pflanzen. Gleich diesen Instinkten entstehen sie ursprünglich durch An-
passung, Übung und Gewohnheit; dann aber sind sie durch Vererbung zu ständigen
Charaktereigenschaften der Art geworden.
Die kieselhaltigen Radiolarien sind unzweifelhaft die größten Künstler unter den
Protisten; denn sie realisieren in ihren wunderbaren Kunstwerken alle möglichen, theo-
retisch denkbaren Grundformen, die wir in unserer Grundformenlehre („Promorphologie")
nach mathematischen Prinzipien unterscheiden können. (VergL Kap. 8 meiner „Lebens-
wunder".) Auch in der stereometrischen Konstruktion ihrer höchst regelmäßigen Kunst-
werke verfahren sie mit der peinlichsten Akkuratesse eines geschulten Geometers, und in
der eleganten Ornamentik ihrer phantastischen Gitterschalen und deren vielgestaltigen
Anhänge wetteifem sie mit der Phantasie der arabischen Architekten, die die Alhambra
von Granada ausschmückten.
Aber auch andere Klassen von Protisten schaffen eine Fülle von schönen und eigen-
artigen Kunstwerken, so die Talamophoren oder „Kämmerlinge", deren vielgestaltige,
zierliche Schalen jedoch gewöhnlich aus Kalkerde bestehen. Auch unter den Urpflanzen
gibt es drei formenreiche Klassen, die sich durch den Bau schöner und merkwürdiger
Kunstwerke auszeichnen i die Diatomeen, Desmidieen und Peridineen. Am höchsten ist
der Kunsttrieb bei den Diatomeen oder Schachtellingen entwickelt, die sich in unge-
heuren Massen an der Zusammensetzung des Plankton (sowohl im Meer als im Süß-
wasser) beteiligen. Ihr einfacher, nackter Zellkörper scheidet eine schützende Hülle aus,
die die Form einer runden oder länglichen Schachtel mit Deckel hat. Über 4000 ver-
schiedene Arten solcher „Kieselschachteln" sind bekannt. Die glasartige Schale besteht,
wie die Schale der Radiolarien, aus fester Kieselerde und zeigt auch eine ähnliche, höchst
feine und zierliche Skulptur. Dagegen besteht die Zellhülle der nahe verwandten Des-
midieen oder „Zierdinge" aus Zellulose, und hat meist die Form von eleganten Sternchen,
Kreuzchen oder Broschen. Die Peridineen oder „Geißelhütchen" besitzen eine zwei-
klappige Schale von zierlicher Skulptur; die beiden Hälften sind gewöhnlich sehr ver-
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scUeden und durch lange Stacbelfortsätze ausgezeichnete Schutzwaffen und Schwebe-
apparate.
Die vielen Tausende von wundervollen Kunstwerken, die die Protisten beider Gruppen
(Urtiere und Urpfianzen) von Einzelligen, in^lWasser lebend, hervorbringen, sind uns erst
durch die emsigen Forschungen zahlreicher Naturforscher des neunzehnten Jahrhunderts
mit Hilfe der verbesserten Mikroskope und Untersuchungsmethoden bekannt geworden.
Die 22 Tafeln [von Protisten, die ich seinerzeit [in meinen »Kunstformen der Natur**
veröffentlicht habe, konnten nur eine kleine Auswahl von besonders schönen und inter-
essanten Kunstwerken der Zelle geben.
Im Vorwort zu diesem Werke hatte ich ausdrücklich die objektive Wahrheit der
naturgetreuen Abbildungen betont! »Die moderne, bildende Kunst und das michtig empor-
geblühte Kunstgewerbe werden in diesen wahren ^^unstformen der Natur* eine reiche
Fülle neuer und schöner Motive finden. Bei ihrer Zusammenstellung habe ich mich
auf die getreue Wiedergabe der wirklich vorhandenen Naturerzeugnisse beschränkt, da-
gegen von einer stilistischen Modellierung und dekorativen Verwertung ' abgesehen;
diese überlasse ich den bildenden Künstlern selbst.** Jeder, der die betreffende Literatur
und die Quellenwerke kennt, aus denen meine Figuren treu kopiert sind, kann sich leicht
überzeugen, daB ich jenen Grundsatz der objektiven Darstellung streng festgehalten habe.
Jiese Tatsache ist vor einigen Jahren bezweifelt worden. Man behauptete
nämlich, meine Zeichnungen seien stilisiert und die von mir wieder-
gegebenen Formen kämen so in der Natur nicht vor. Zwar sollten
die von mir abgebildeten Panzerbildungen der Radiolarien und anderer
Protisten in der Tat existieren; ihre Formen aber sollten unter dem
Mikroskop, wo wir doch immer nur einen Schnitt durch den Körper zu sehen be-
kämen, ganz anders wirken als in der auf den kubischen Eindruck hin ausgebauten
Zeichnung. An den realen Gestalten falle einem gut geschulten Auge gnade die
unkünstlerbche Gestalt auf.
Bekanntlich hat die erstaunliche Verbesserung der modernen Mikroskope — wie
wir sie namentlich meinem verstorbenen Freunde und Kollegen Emst Abbe verdanken —
zu einer ungeahnten Erweiterong und Vertiefung der Naturerkenntnb geführt, und wir
suchen in unsera mikroskopischen Abbildungen alle Formverhältnisse möglichst klar und
scharf darzustellen. Wir beschränken uns bei der Wiedergabe des Gesehenen keineswegs
auf einen optischen Durchschnitt, sondern können durch Drehung der Mikrometer-
schraube des Mikroskops alle Teile des Körpers genau beobachten und dadurch ein
plastisches Bild der Wirklichkeit gewinnen.
Man ist so weitgegangen, zu behaupten, eine starke VergröBerung eines mikro-
skopisch kleinen Gebildes, z. B. eines Radiolarienskeletts, bedeute keine Verdeutlichung,
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sie zerstöre vielmehr den Sinn des Ganzen. Es wurde dabei besonders auf das schöne
Radiolar Histrlastrum Boseanum verwiesen, ienes merkwürdig: gestaltete Wesen, das auch
unser Initial am Anfang dieser Abhandlung wiedergibt. Das zierliche Kieselskelett dieses
Radiolars bildet eine quadratische Scheibe, von deren vier Ecken )e ein langer, am Rande
gezähnter und am Ende kolbenförmig angeschwoUener Fortsatz ausgeht. Die vier Arme
li^:eo in einer Aquatorialefaene und stehen senkrecht aufeinander.
Die starren, festen Formen dieses Gebildes kann man mit dem Zeichenapparat
ebenso geziau wiedergeben wie es die beste Photographie vermag. Und doch hat man
die Behauptung auf gestellt, die von mir veröffentlichte 2Leichnung dieses schönen
Histriastrum Boseanum sei nicht eine rdne Naturbildung und verliere damit alle Glaub-
wördigkeit und Beweiskraft. Die Zeichnung sei nur ein trockener GrundriB und zeige
alle Formen sehr gedehnt. Mit der VergröBerung an sich sei auch eine ganz erhebliche
Schematisierung verbunden; infolgedessen erhalte man von der individuellen, wahren
Erscheinung eines solchen Radiolars keine zuverlässige Vorstellung.
Jeder, der auch nur einige Übung im Arbeiten mit dem Mikroske^ hat, wird diese
Behauptungen als vollkommen irrig anerkennen. Die feste Beschaffenheit gerade der
Radiolarienskelette gestattet eine ganz exakte zeichnerische Wiedergabe, und wenn man
sich die Möhe geben wollte, Präparate von Radiolarien unter^dem Mikroskop mit den
von mir veröffentlichten Zeichnungen zu vergleichen, so würde man ohne Schwierigkeit
erkennen, daß es sich bei den letzteren um eine objektive Wiedergabe der realen
Gestalten handelt und daß von Rekonstruktion, Zurechtstutzung, Schematisierung oder
Fälschung gar keine Rede sein kann.
Ebenso ungerecht ist der Vorwurf, ich hätte auf den Tafeln meiner »Kunstformen
der Natur*^ die zahlreichen Figuren symmetrisch angeordnet, anstatt sie unregelmäßig
durcheinanderzuwürfeln. Gegenüber diesem Vorwurf einer »lästigen Symmetrie", die
»das reine Gegenteil von künstlerischer Wirkung ausübe", weise ich auf die strenge
Symmetrie z. B. der griechischen Tempel und gotischen Dome hin. Gerade die starren
Formen der Skelette von Radiolarien und andern Protisten offenbaren in der erstaun-
lichen Mannigfaltigkeit ihrer reichen Gliederung und zierlichen Ornamentik eine Fülle
von Schönheit, die sie für die bildende Kunst und das Kunstgewerbe zu einer höchst
wertvollen Schatzkammer macht.
Das hat z. B. der fraiuösische Architekt Reni BinetTn seinem großen Pracht-
werk »Esquisses dtowatives" (Paris 1902) richtig erkannt. Der ausgezeichnete Künstler,
dessen hervorragendes Talent man in den Prachtbauten der Pariser WeltauKtellung (1900)
bewundern konnte, hat hier auf zahlreichen Foliotafeln gezeigt, wie ergiebig die Quelle
der Schönheit gerade in den niedersten und kleinsten, ^großenteils mikroskopischen Lebens-
formen fließt, und wie die »schaffende Phantasie" der Natur gerade hier ihren uner-
schöpflichen Reichtum am erstaunlichsten entfaltet. Dabei hat Binet meine »Kunst-
formen der Natur" ausgiebig verwertet, zumal die auch von mir bevorzugten Klassen
der Radiolarien, Thalamophoren, Medusen, Korallen, Echinodermen und Diatomeen. Er
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hat es vorzügrlich verstanden, die realen Naturformen, wie ich sie objektiv abg^ebildet
habe, nicht allein rein s« verwenden, sondern auch subjektiv in g;eschniack voller Weise
SU stilisierea und praktisch dekorativ su verwerten.
Wie schön sich die reisenden Kunstformen der genannten Klassen und besonders
die wundervollen Gestalten der mikroskopischen Protisten ornamental verwerten lassen,
habe ich auBerdem durch sahireiche freundliche Geschenke erfahren, die mir seit der
Publikation meiner „Kunstformen“ sug^angen sindi Möbel und andere Hausgeräte,
Teller, Becher, Kissen, Taschen usf., geschmackvoll dekoriert mit den reisenden Formen
der vorher erwähnten Protisten. Diese vielfache und erfreuliche Verwendung meiner
,4^unstformen der Natur“ auf verschiedenen Gebieten der bildenden Kunst und des
Kunstgewerbes seigt deutlich, daß die gegenteiligen Anschauungen keineswegs in Kunst-
kreisen allgemein sind.
Was würde der Größte unter den Großen, was würde Goethe gesagt haben, wenn
er hätte lesen müssen! ^,Die Natur schafft keine Kunstwerke; denn sie ist in^Hinsicht
auf die Schönheit der Gegensats sur Kunstl“ Man vergleiche hiersu Goethes wunder-
baren Hymnus an die „Natur“, den ich meiner „Natürlichen Schöpfungsgeschichte“ als
einleitendes Motto vorgesetst habet „Die Natur schaift'ewig neue Gestalten; was da
ist, war noch nie; was war, kommt Jnicht wieder; alles ist neu und doch immer das
Alte . . . Sie lebt in lauter^Kindem; und die Mutter, wo ist sie? — Sie ist die einzige
Künstlerin! aus den simpelsten Stoffen zu den größten Kontrasten; ohne Schein der
Anstrengung zu der größten Vollendung.“ Und wenn diese Sätze den Verfechtern der
oben erwähnten Theorie schon wenig erfreulich sein werden, so noch besonders d« treffende
Zusatz; „Sie läßt jedes Kind an sich künsteln, jeden Toren über sich richten. Tausende
stumpf über sich hingehen und nichts sehen und hat an allen ihre Freude und findet bei
allen ihre Rechnung.“
T gegnerische Standpunkt, der von nicht wenigen doktrinären Kunstgelehrtoi
und Laien geteilt wird, erklärt sich aus einer verfehlten dualistischen und
anthropistischen Weltanschauung *). „Die Kunst ist nach dem seit lange
eingeführten und noch geltenden Sprachgebrauch dem Menschen reserviert“,
mehlen die Vertreter dieser Weltanschauung. Demnach sollen die bekannten
und bewunderungswürdigen Künste der Tiere, der Gesang der Vögel, ihre Nester, die
kunstvollen Bauten der Wirbeltiere und Insekten, die interessanten Liebesspiele der
*) Vergleiche iJlaecfcel, WeltritscI", Ente* Kulteli „Der >DaaIiimu** zerlegt da* Univeniim in
zwei ganz venchiedene Subetanzen, die materielle weit und den immateriellen Gott, der ihr al* SebApier,
Erhalter and RejHerer gegenöbenteht. Der »Monizmax hingegen erkennt im Univertom nur eine einzige
Substanz, dl* »Gott and Natur« zugleich i*ti Körper and Geist (oder Bdaterle and Energie) sind Kkr sie
untrennbar verbanden." — > Anthropismas« wieder lat „jener mSchtlg* and wettverbreitete Komplex
von irrtümlichen Vontellangen, weicher den menscblicben Organismos im Gegensatz za der übrigen
Natur stellt."
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höheres Tiere mit ihren Tü&zen, Gesingen und anderen Verführxingshönsten utf.,
überhaupt nicht mit den entsprechenden Leistungen der Menschen zu vergleichen sein?
Gegen solche unberechtigte anthropistische Auffassung wird jeder Naturforscher und
Naturfreund Einspruch erheben, der die wundervollen Kunstleistungen der Tiere aus
eigener Beobachtung kennt und aus ihrer isthetischen Betrachtung wirkliche Kunstgenüsse
geschöpft hat.
Unsere moderne Entwicklungslehre, deren feste Begründung wir als einen der be-
deutendsten Kulturfortschritte des neunzehnten Jahrhunderts feiern, hat uns zu der
sicheren • Erkenntnis geführt, daB alle Erscheinungen in der Natur wie im Menschen-
leben aus einfachsten Anfängen sich allmählich entwickelt haben. Sie hat uns ferner
überzeugt, daB der Mensch — seinem ganzen Körperbau und seinen Lebenserscheinungen
nach ein echtes Wirbeltier, und zwar ein plazentales Säugetier — aus diesem Stamme
entsprungen ist. Also ist auch seine ganze Kunst, in engerem wie in weiterem Sinne
dieses vieldeutigen Begriffes, nicht (wie man früher glaubte) das Geschenk einer über-
natürlichen Macht, sondern das natürliche Produkt seines Gehirns — genauer gesagt!
die Arbeit von Nervenzellen, die das Denkorgan in unserer grauen GroBhimrinde zu-
sammensetzen. Die Anlage dazu, die Fähigkeit oder „potentielle Energie*' der Kunst-
funktionen, ist aber bereits in der Stammzelle gegeben, in der befruchteten Eizelle.
Gleich allen andern „Seelentätigkehen** hat sich also auch die vielseitige Kunsttätigkeit
aus diesem einzelligen embryonalen Zustande nach dem biogenetischen Grundgesetze zur
„aktuellen Energie** des schaffenden Künstlers entwickelt. Ich habe in meiner „Anthro-
pogenie** (1874) den wunderbaren Gang dieser stufenweisen Entwicklung klargelegt und
durch zahlreiche Abbildungen erläutert. Die wunderbaren Kunstwerke der Zelle,
wie wir sie jetzt in unzähligen Naturprodukten einzelliger Protisten kennen, erfreuen
unsem Schönheitssinn ebensosehr, und sie sind einer ästhetischen Kunstbetrachtung
ebenso würdig, wie die verschiedenen Kunstwerke, die das menschliche Gehirn mit
Hilfe unserer Sinnesorgane konzipiert und durch das technische Geschick unserer
Hand ausgeführt hat. DaB die veranlassende ästhetische Empfindung bei den ersteren
unbewuBt, bei den letzteren bewuBt arbeitet, kann unser künstlerisches ebenso wie unser
wissenachaftliches Interesse daran nur erhöhen.
Und wir dürfen wohl hoffen, daB ein weiteres eingehendes Sttidium der Kunst-
formen der Natur nicht nur praktisch das Kunstgewerbe fördern, sondern auch theoretisch
das wahre Verständnis der bildenden Kunst und ihrer idealen Aufgaben auf eine höhere
Stufe erheben wird.
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Aus dem Reiche der Strahllng^e«
Die hier und auf den nichsteo Tafeln abgebildeten Radiolarien oder Strahlinge sind im Meere lebende»
mit dem bloßen Auge kaum erkennbare winzige Tiere» deren ganzer Körper aus einer eintigen Zelle besteht«
d. h. aus einem Stückchen Protoplasma» einer eiweißartigen l^sse» xnit einem dichteren Kern. Die Bilder
stellen ausschließlich die Skelette oder Gerüste dieser Tierchen dar» nur bei einigen sieht man aus den feinen
Öffnungen der Skelette zarte Protoplasmatiden herausragen gleich den Strahlen einer Sonne«
SchaumstrAhUnge oder Schaumstemcben. <Aus <kn Challrnger'Radiot4rim von Emsi Haedid.)
Hacfi.cl 3
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iZ
- /c II. ^ !•* Fioiir links oben sieht man zahlreiche Einzeltiere voo einer gemein*
'umstrahlinge (Spumc Obtrfliche feine Proloplasm»fäd«n au»slrihlen. (Aus den Chailengtr-RadioUrien
von Eens. H.«.teu Dig tizecl by Gl lOgk
G.allertbüUe umschlosseop
19
Bei dem oberen Bild links ist ein Stück der Schale losgebrochen und man erkennt» daß das Skelett aus drei
^ ineinander geschachtelten Gittcrkugcln besteht» die miteinander durch radiale Balken in Verbindung stehen.
(Aui iJen Cfiallenjtcr'RadioLirien von Fnni llaniicl.) ^ ^ j
20
Skelette von StcmstfAhUngfCn* (Na<ti den Ctta(ten^er-Radiolarkn von Ernst HaecicI) Du Skelett beiteht AUS 20 StAChelfi*
die von einem gememsamen Mittelpunkte auagehen und mannigfaltige Anhänge haben» die sich au einer Citter-
kugel susammenschließen können*
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2f
c Auswahl zeigt die außerordentliche Gestaltenmannigfaltigkeit Innerhalb einer bestimmten Abteilung der StrahUnge«
(Nad> den ChaUcnger'Rjdiolarkn von Ernst Haedel.)
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22
RohrstrahlingfC oder PhAcodArien» die »ich dadurch besonders auseeichnen» daß ihr Skelett meist aus bohlen
röhren besteht» die nach außen oft in kurst vollen Bildungen enden. Die Figur unten rechts stelll einen klr
Ausschnitt aus cinecn solchen kugelförmigen Rohrstern vor und gewahrt auch einen Einblick io den Bau des eigenth^
Weichkörpers des Xieres. (Aus den Chaltcnser^Rjcliolarkn vop Emst HaedirU
23
Rohrstrahling^e. Die klelnca Figuren oben und In der Mitte sind einzelne« melit itrahlenibrmig geiUltete
Skclcttetäcke« wie >ie nur bei einer kleinen Abteilung der Rohretemeben Vorkommen. (Au> drn C1>^«i(er>Re<jio>
larien von Ernst Hacckd.)
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24
Die „Blumen und Schmetter-
linge" des Meeres
Polypen und Medusen» die
mit ganz wenigen Ausnahmen
Bewohner des Meeres sind»
stehen vielfach mit ein*
ander in engster Be- *
tiehung. (Die hier und Seite
25— 27 vledergegeheoen Bilder ^
cotttammm dem Werk
G. J. AQiitaa: A Mono«
of thcHydrolds.}
Viele der fesUltzendcn» an Tang»
Steinen uu dgL aufgewaebseoen Po-
lypen erzeugen durch ungescblecht'
liehe Knosptsng glockenf6r’
mige» frei im Nasser umber-
schwimmende Medusen» die
ihrerseits Geschlechts*
Organe bilden} aus der
bcnucbtetcn Eizelle der-
selben geben dann wie-
der Polypen her-
vor (Gen erations'
Wechsel).
Kolonien (e&tgewachsener Polypen mit noch nicht zur vollen Ausbildung gelangten Geschlechtsknospen unter
halb des dte Fühl* und Fangladen tragenden Vorderendes des Körpers.
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Ib«kcl 4
Unten: Eine Polypen* Kolonie» deren einfache Glieder (Einzelpersonen) Medusen auf verschiedenen Stufen der
Ausbildung zeigen. Rechn: Das Ende eines verzweigten Polypenstöckchens mit Medusenknospen. Oben links:
Zwei von diesen Polypen losgelöste Medusen mit vier Fühl* und Fangiäden» sogenannte Blumenquallen oder
Anthomedusen. _
26
Ob<nt Eine Kolonie
von Polypen» von
denen einige Fühl* und
FanglJiden besitzen»
andere nicht* Die Ge*
schlechtsknospen sind
noch nicht zu Medusen
entwickelt» sondern
ruckgebildet*
Unten x Ein e Polypen*”
kolonie» aus einem
verzweigten Vurzel*
System wachsend« An
einigen Stellen Nihr* •
poIypen mit Fang- und
Fühlfiden» aber ohne ,
Geschlecbtsknospen»an
anderen Geschlechts*
pertonen» von denen
jede eine Meduse er-
zeugt.
Hydroid-Polypen mit einem einfachen Kranz von Fühl- und Fangfiden*
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27
Röhrenpolypen (TubtsUHrn) mit einem doppelten Kranz von Fühl- und Fangfiden. Rechts obett: das Ende
eines Polypen^ links oben: eine Iraubenförmige Knospe mit Meduser.brut* Unten links: ein }unfer Polyp) unten
rvdits: eine losgelöste Meduse, die sich auf einigen Fangfäden kriechend fortbewegeo kann*
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28
Medusen oder Quallen
Die meisten Medusen entwickeln sich durch Knospung aus Polypen: einige Abteilungen
dagegen erzeugen Eier* aus denen direkt wieder Medusen entstehen. Solche Medusen leben im
offenen Meere» weit entfernt von der Küste. Diese pelagische Lebensweise hat zum allmAh'
liehen Wegfall der festsitzenden Polypen>Generation geführt. (Oie Mer und auf Sehe 29 bis 33
bcfirnUichen Bilder enuiammcn dem Vi'erke: ftacikel» System der Medusen"» Jena» bei Gustav Fischer.)
Eine Kolbenqualle aur Australien» von unten gesehen. Am Rande des glockenförmigen Körpers ent'
springen die Fang- und Füblfäden: aus der Mitte der Glocke ragt der lange Mundkegel hervor» die Mund-
Öffnung am vorderen Ende desselben trägt sechs blattförmige Mundlappen: an der Basis des Mundkegels
sieht man sechs lappenförmige Geschlechtsdrüsen.
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29
Die mittlere der drei unten abgebil-
deten Blumenquallen oder Antho-
medusen aus Japan» dem Mittelmeer
und aus Australien erzeugt am
Glockenrande durch Knospung junge
Medusen mit Überspringung der Po-
lypen*Generation. l inks oben: Mund-
arme einer Scheibenqualle» rerfits: eine
der vier Seitenwände des Magens
einer grönländischen Blumenqualle.
Blumenquallen oder Anthomedusen.
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30
eben: Eine FAltcnqualle mit
rahlreichcn Fühl* und Fang*
faden aus dem Mittelmeer.
Unten: Eine Blumenqualle
von den Falklands*lnseln
mit büschelförmig ver*
zweigten Mundgriffeln im
Innern derGIocke und zahl-
reichenr gruppenförmig
entspringenden Faagfaden.
I.Inks: Eine norwegische
Blumenqualle von obeo
gesehen. Rechts: Mundarme
einer javanischen Scheiben*
qualle von unten gesehen.
Quallen oder Medusen.
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31
llniim: Eine Blumenqualle von den Onarischeo Inseln mit MundgrUfeln und i;ro6en. mehrfach verzweigten
Fang* und Fühlfaden* Mit eigentümlichen Anfängen derselben kann sich das Tier festheften und wie mit
Beinen fortbewegen. Unkt: Eine Blumenqualle aus dem Mittelmeer mit langen verzweigten Mundgriffeln
und kurzen* plumpen Fang- und Fühlfäden, die zu {e 4 vereinigt sind. Rechis: Eine Kolbenqualle aus dem
Roten Meere mit an ihrem freien Ende kolbenförmig verdickten# massiven Fühl- und Fangfäden.
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32
Um>*n: Eine Schetbenquallc von der Küste Brasiliens mit mächtigen» an den freien Seiten gekrausten
Mundarmen, dazwischen lange feine FühUäden. Links olcn: Eine einfach gebaute Scheibenqualle aus dem t
C hinesischen Meere. Rechts oben: Eine australische Faltenqualle mit vier groOen gekrausten Mundlappen
und zahlreichen kleinen Fang* und Fühlfaden am Glockenrande.
33
»fhchcndi^tt Kronleuchter^^ und ^^Fruchtschale'^ Oben: Eine Blumenqualle von Cuba mit zwei entwickelten
'jnd zwei verkümmerten Fühl* und Fan^äden. Die ersteren tragen zahlreiche zur Verteidigung und zum Fang der Beute
dienende Neueiorgane» die auf aus* und einstreckbaren Fäden sitzern Urnen: Eine Scheibenqualle aus dem Roten
Meere» die sich mit den Mundlappen angesaugt baU
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^ Haetiel 5
34
T iefsee -Medusen
Während die mcUten Medusen in
der Oberfläche des Meeres leben
und nur in geringe Tiefen» z. B.
bei kühlerem oder stürmischem
Wetter^ hinabsteigen» bewohnen
einige Gattungen und Arten auch
die tiefen AbgründederOzeane»wie
die neueren Tiefsee-Forschungen
gezeigt haben« Zu diesen Tiefen'
bewohnern gehören wahrscheinlich
die auf Seite 34— 37 abgebildeten
Medusen» die von Ernst Haeckel
in seinem Werke «Die Tiefsee-Me-
dusen der ChaIlenger-Reisc**(Vciiag
von O., Fischer iit |enj) beschrieben
worden sind. Diesem Werke sind
auch die Figuren entnommen'
(Inrrii: Eine große Scheibenq'jalle mit großen gekrausten Mundarmen und zahlreichen Fühlfäden» die an
der Unterseite der Scheibe entspringen. Oion lintis Eine Scheibenqualle mit acht langen Mundarmen» die
kurz vor ihrem freien Ende kolbenförmig verdickt und gekraust sind. OJ^ti retln\: Eine Taschenqualle der
Tiefsce (vom Challenger erbeutet) mit hohem glockenförmigen Kö:per und zwölf langen Fangfäden« zwischen
diesen vier Sinneskolbcn zwischen je zwei großen Randlappen. '
35
(Imeni Die Tasc benquall e der vorigen Sette von unten gesehen, ln der Mitte die weite Mundöffouog mit
8 Magenfiden. Obent Zwei Span gen m edusen von unten gesehen, links eine achtzäblige, rechts eine vierzahllgc*
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36
Cb:a: Eine Blumen>
quallc mit nur swci
geg<oubcntcbendcii
langen r dicht mit
Nesaelknotcn beseU-
tea Fangfaden und
vier oft verzweigten
Mundgriffeln» die
den Magenumstehen
und an den Zweig-
enden Nesselknöpic
tragen. Urnen: Eine
Sp&ngenmeduse
mit l6 nach oben
gerichteten massiven
Fang'und FühlUden.
XicUec-Medusen.
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fnUft 4° d«f Tiefscc» von der S<it« und von unten gesehen* Am Rande der domförmig
^ <o Glocke sablreiche Fang- und FühlfÄden sowie Saugscheibem Im Innern sieht man die viereckige
Mundöffoung und die acht radial verlaufenden Geschlechtsdrüsen.
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38
Die StaAtsquallen
Röhrcnquallen oder Si>
phonophoren » vielleicht
die merkwurdigsteoTiere»
die die Mutter Natur er-
zeugt hat« lind keine Ein*
zeltiere» sondern Stöcke
oderKolonien vonTieren«
und zwar Ursprünglich von
Medusen* Die einzelnen
Personen dieser Stöcke
haben infolge weitgehen-
der Arbeitsteilung eine
sehr verschiedene Gestalt
angenommeOf so daB man
ihren wahren Medusen-
charakter oft nur schwer
erkennen kann.
/
llnien: Eine Staatsqualle mit einer Schwimmblase» an deren unterer Seite die zahlreichen Einzelpersonen.
FreBpolypen» Fuhlpolypcn* Fangpolypen« Geschlcchtspcrsonen sitzen. Oben linkst Untere Ansicht des Zentral-
siphon von Porpila, rechtst Unterseite der Zentralschcibe von Porpita« (Aus Fjtis! Hackd. die Si|4t.'«rK'(>hor<a der
Ctia!.i:ngcr*Rci«e.}
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39
Staatsqualle mit eiii<r Schwimmblase am oberen Körperende) darauf folfjcod mehrere
Reihen von Schwimmglocken und am unteren Ende derselben die FreBpersonen, Gcfuhlspersonen, Geschlechts*
^rsooen* Oben: Querschnitt durch die Luftblase einer Staatsqualle (linlw) und Ansicht von oben (rvchts).
r Untm: Zwei Scheiben- (medusen*) förmige Staatsquallen » bei denen die Einzelpersonen in konzentrischen
Ringen auf der Unterseite der Scheibe entspringen. Unks: Ansicht von der Seite» rfcbt»: von unten* C" I
fAua llrnat Die Siphoiidphoreft der CtijJIenfer'Reise.) J20U Dy VjOO^lC
40
Eine Suatsqualle. von der Seite und von unten gesehen» die wahrscheinlich ein Bewohner der Tielsee ist.
Am oberen Ende eine Schwimmblase« darunter ein mehrreihiger Ring von medusenförmigen Schw’imm*
glockcn. unter diesen dte Krebpersonen, Tast* oder GeluhUpersonen. Geschlechtspcrsonen. C\us ILrmi IWdtd.
li'O Si, li.'n.'ptK'reii der CI .iK«'tteer»’R«* »e.)
: ■ , ' ; [ r C IV ll,
Ernst Haeckel: Aus dem Schönheitsalbum der Natur
Linke Kcihc ^von oben nach unten); Getürmter KorterKscli.
Bunte Springsptnne (Deutschland). Blaukappen-Kolihri
(Insel Juan Fernandez).
Rechte Reihe: Siphonophorc oder Staatsqualle, von unten ge-
(Aus t*Kunsifornirn der Njitur**.
Von Ernti H«fckcl. Mit FrUubn!« de«
Hthito^raphtschen Insiiiuff, Lcipfi£.»
sehen. Stcrn-SchilJkrötc (Siid-Afrikai.
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Dr.W. Breitenbach:
Formenschatz der Schöpfung*
ine wunderbare Nacht auf dem tropischen Atlantischen Ozean. Die Sonne
ist mit einer unerhörten Farbenpracht untergegangen, von der man sich
auf dem Lande keine auch nur annähernd richtige Vorstellung machen
kann. Schnell wird es dunkcL Die Sterne des Südens, die auf den
Nordländer einen so geheimnisvollen Zauber ausüben, erglänzen. Unser
kleines Segelschiff, ein Zweimast-Schoner, auf dem ich die drei Monate dauernde
Reise von Südbrasilien nach England machte, schießt mit erheblicher Geschwindig-
keit, getrieben von einem kräftigen Passatwind, durch die nicht sehr hohen Wellen
des Ozeans.
I
Ich stehe am Bug des Schiffes und bewundere inomer wieder das herrliche Schau-
spiel des Meerleuchtens. Das Wasser, das an den Seitenwänden des Schiffes aufspritzt,
scheint aus flüssigem Feuer zu bestehen. Jeder Tropfen scheint ein Feuerfunken zu sein,
und unwillkürlich werde ich an das Funken^rühen erinnert, das man beobachtet, wenn
in einer Eisengießerei oder in einem Hochofenwerk das geschmolzene Eisen aus dem
Ofen abgelassen wird.
Das gleiche Feuersprühen wie an der Schiffswand zeigt sich auch ringsum auf der
endlosen Wasserfläche des Meeres. Wo die Wellenkämme sich begegnen und die oberen
Wasserschichten in Strahlen und Tropfen ause i nanderreißen , dasselbe unvergeßliche
-SchauspieL Überall aufspritzendes Feuer, aber nicht greü und blendend, sondern sanft
und milde, mit geheimnisvollem Schimmer. Sieht man näher zu, so scheint die ganze
obere Wasserschicht aus utuähligen leuchtenden Punkten zu bestehen, die unaufhörlich
ihren Ort wechseln. Bald sind sie größer, bald kleiner, hier treten sie mehr vereinzelt
auf, dort zu großen Massen vereinigt. Oft scheint die Oberfläche des Meeres auf weite
.Strecken hin eine einzige leuchtende Schicht mit milchigem, phosphoreszierendem Licht
Haotd 6
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Xtt sein. Und aus dieser Licfitschicht leuchten an manchen Stellen g^röSere Lichter auf,
die mit den WeUen auf- und niedertanten, bald gane yerschwinden, dann wieder an
anderen Orten einzeln oder gruppeoweise neu erscheinen. Ein immer wec h se ln des wunder-
volles Schauspiel, das die Mutter Natur uns in diesen warmen Breiten zu beiden Seiten
des Äquators oft vorffihrt, das wir aber nie müde werden zu betrachten.
,3s ist ein ewigfcs Leben, Werden und Bewegfen in ihr und doch rückt
sie nicht weiter. Sie verwandelt sich ewigf und ist kein Moment Stillstehen
in ihr." (Goethe.)
Welche Mittel hat die Natur, diese g;randiosen Feuerkünste auszuführen, die keines
Menschen Konst nachmachen kann, auch wenn sie alle Hilfsmittel der heutigen Technik
anwendetei Da unser Schiff ruhig seine StraBe zieht, kann ich nach bewahrter Methode
mit einem an einem langen Stiel befestigten Gefäß mit einiger Übung mehrere der
grüßeren Lichtpunkte einfangen und an Bord näher betrachten. Es sind meistens
Medusen und Quallen, oft auch sogenannte Feuerwalzen (Salpen), die das Licht von sich
geben. Und um die Erreger der kleineren Lichtpunkte und des allgemeinen Lichtscheins
kennen zu lernen, holen wir einige Eimer des leuchtenden Wassers an Bord. Steht es
in den Eimern stiU, bewegt es sich nicht, so leuchtet es auch nicht; rühren wir aber mit
der Hand lebhaft in dem Wasser umher und spritzen wir es an Deck aus, so scheint es
sich mit Licht zu erfüllen; die umherspritzeoden Tropfen leuchten wie das Wasser um
uns her im Ozean.
Schon mit bloßem Auge kfini^n wir unterscheiden, daß einzelne Lichtstrahlen vim
winzigen, sich lebhaft bewegenden Tierchen ausgehen, vielfach von kleinen Krebschen,
die milliardenweise an der Oberfläche des Meeres leben und die einen wesentlichen
Bestandteil des sogenannten Planktons bilden. Bei anderen, kleineren Lichtpunkten
künnen wir nicht genau feststellen, woher sie stammen, wir müssen uns auf den neuen
Tag vertrfisten, um das Wasser mit dem Mikroskop zu untersuchen. Wohl erkennt
man hier und da kleine, eben sichtbare Kügelchen, bald einzeln, bald zu Gruppen ver-
einigt, aber nur das geübte Auge des marinen Zoologen könnte uns über deren Natur
sogleich Auskunft geben.
Jenes wunderbare Instrument, das wir wahrscheinlich dem Holländer Leuwenhook
zu verdanken haben und das die Leistungsfähigkeit unseres Auges fast bis ins Unendliche
gesteigert hat, das Mikroskop, klärt uns am anderen Morgen bald auf. Wir finden im
Wasser winzige einzellige Pflänzchen, die nur an der Oberfläche des Meeres leben und
die Umahrung aller Meerestiere darstellen; wir entdecken zahlreiche, dem bloßen Auge
gar nicht oder eben als kleinste Punkte sichtbare einzellige Tiere, Urtiere, die gleich
tenen Urpflanzen die merkwürdige Eigenschaft haben, bei Dunkelheit und bewegtem
Wasser Licht zu erzeugen, gleich den Johanniswürmchen unserer warmen Sommernächte
oder manchen Pilzen, die auf faulendem Holz und vermodernden Blättern des Waldes
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waduea. Alle diese kleinen Urtiere and Urpflanzen oder doch viele derselben müssen
wir als die Erzeugfer des Meerleachtens betrachten. Eine grofiartig;e Illustration des
bekannten Wortesi Natur schafft mh Kleinsteffi das Größte."
uft schon die Tatsache, daß gerade die als Individuen fast unsichtbaren
kleinsten Lebewesen eine der großartigsten, herrlichsten Naturerscheinungen
verursachen, unser Erstaunen wach, so steigt unsere Verwunderung, wenn
wir einzelne dieser Kleinsten unter den Kleinen näher untersuchen. Wir
haben einen Teil des Meerwassets, in dem am Abend und in der Nacht
das Leuchten besonders lebhaft war, in ein großes durchsichtiges Glas gefüllt und können
nun bei Tageslicht eine genauere Prüfung seines Inhalts vornehmen. ^Nach einiger Übung
unterscheiden wir oft schon mit bloßem Auge, sonst aber mit einer guten Lupe, kleine
Kugeln, die von einer milchig schimmernden Gallertschicht umgeben sind, und aus dieser
Gallerthülle ragen nach allen Seiten, den Strahlen der Sonne verglekhbar, feine Fäden
heraus, die sich bald verkürzen, bald zusammenziehen. Die ganze Herrlichkeit der Meeres-
fauna tut sich nun vor unsem Blicken auf.
Die moderne Naturforschung hat in den letzten Jahrzehnten viele Tausende dieser
bisher meist verborgenen Schönheiten aus dem Ozean hervorgeholt, aber sie sind bis vor
kurzem doch nur wenigen Menschen bekannt geworden, da die Beschreibungen und Ab-
bildungen nur in schwer zugänglichen, in den Bibliotheken vergrabenen großen zoologischen
und botanischen Monographien enthalten waren. Die Naturforscher, die diese kunstvoll
gestalteten Tiere und Pflanzen abbildeten und beschrieben, dachten in der Regel nicht
daran, daß sie für die Kunst oder das Kunstgewerbe irgendeine Bedeutung haben könnten.
Die Künstler aber, die die Wichtigkeit neuer, interessanter Naturformen zur weiteren Aus-
gestaltung des Kunstgewerbes sofort erkannt haben würden, wußten nichts von der
Existenz dieser wissenschaftlichen Werke mit den Hunderten und Tausenden von Tafeln,
auf denen die neu entdeckten Naturformen abgebildet waren.
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1 war es am Anfang; des g'eg'enwirtigfcn Jafirhunderts einer unserer ersten und
bekanntesten Naturforscher, der sich entschloB, die Terborgfene Schatzkammer
zu Offnen und dem g;ebildeten Publikum im allg;emeinen, sowie dem Kunst-
fewerbe im besonderen eine Sammlung; von. „Kunstformien der Natur"
▼orzulegen. Professor Ernst Haeckel in Jena g;ab unter diesem Titel ein
großes Tafelwerk mit fOO meist farbigen Tafeln heraus, das eine Fälle der schönsten
und interessantesten Kunstformen aus den verschiedensten Klassen des Tier- und
Pflanzenreichs enthält. Seit er bei Johannes Müller in Berlin studierte, hat sich
Haeckel (geboren am 16. Februar (S34 zu Potsdam, seit i&6t Professor der
2kx>log;ie in Jena, seit wenigen Jahren im Ruhestand in Jena lebend) vorwiegend mit
der Untersuchung der wunderbaren Tierwelt befaßt, die an der Oberfläche des Meeres
lebt und den niederen Klassen des Tierreichs angehOrt. Haeckel hatte von Jugend
an ausgesprochen künstlerische Neigungen, so daß er gelegentlich seiner ersten
Rebe durch Italien fast im Begriff stand, die Zoologie an den Nagel zu hängen und
Landschaftsmaler zu werden. Nicht zum wenigsten bt es sein Sch&nheHssinn gewesen,
der ihn immer wieder den geliebten , 4 >iederen Seetieren" zugeführt hat, deren Gestalten-
ffille und Farbenpracht unerschöpflich zu sein scheint, wie schon die Auswahl zeigt, die
wir auf einigen Tafeln unseres Buches wiedergeben.
Hauptsächlich waren es bestimmte Abteilungen der Urtiere und Nesseltiere, die den
iungen Naturforscher fesselten und denen er lange Jahre seine beste Kraft gewidmet hat.
Schon im Jahre 1362 konnte er nach eingehenden Forschungen in Messina seine erste
große ,, Monographie der Radiolarien" herausgeben.
Das was an diesen Wesen lebt, also das lebendige Tier, ist eine einfache Zelle, ein
Stückchen Protoplasma mit Kern. Was die Radiolarien oder Strahlinge, wie Haeckel
den Namen verdeutscht hat, vor anderen verwandten Urtieren auszeichnet, ist der Besitz
einer sogenannten Zentralkapsel, einer von einer festen Haut gebildeten Kapsel, dttreh
die der Zellenleib des Tieres in einen inneren und äußeren Teil zerlegt wird. Die Zentral-
kapsel ist mit wenigen oder zahlreichen Öffnungen durchbohrt, durch die das innere
Protoplasma, in dem sich auch der Kern der Zelle befindet, mH dem außerhalb gelegenen
in dauernder Verbindung steht. Von dem äußeren Protoplasma gehen auch die zahl-
reichen strahlenförmigen Protoplasmafäden, die Scheinfüßchen oder Pseudopodien aus,
durch die das Tier seine Nahrung fängt und die zugleich auch als Tast- oder Fühlorgane
dienen. Diese Scheinfüßchen durchsetzen die Gallertschicht, die das Radiolar oft außen
umhüllt und die meistens durch bläschenförmige Hohlräume gelockert erscheint. Die Fort-
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pflAnztm; der Strahliogfc erfolgt, tOTiel m«n bis jetzt weiß, g:ewöhnlich durch sogfeiuumte
Schwäraisporen» die sich innerhalb der Zentralkapsel bilden.
So einfach sonach der Bau des Radiolorien-Or^anisfflus selbst ist, so staunenerregend
und wunderbar sind die Leistungen, die eine solche einzelne Zelle auszuffihren imstande
ist. Die Strahltierchen bauen sich gewöhnlich aus der dem 'Wasser des Meeres entnommenen
Kieselerde, manchmal aber auch aus einem anderen Stoffe, Gerüste oder Skelette, die an
Zierlichkeit der Ausführung und an Mannigfaltigkeit der Grundform alles übertreffen,
was die Natur sonst herrorgebrocht hat.
Jer große Zoologe und Physiologe Johannes Müller (gest 1858) hat zuerst
die Radiolarien wissenschaftlich untersucht und eine kleine Anzahl von ihnen
genau beschrieben. Einer seiner jüngsten Schüler, Ernst Hoeckel, hat, wie
schon erwähnt, die Arbeit seines Meisters fortgesetzt und konnte schon im
Jahre 18ö2 170 verschiedene Arten beschreiben. Die große englische Ex-
pedition des „Challenger" (1874 — 7ö) brachte sodann ein unerhört reiches Untersuchungs-
material mit heim, das Hoeckel bearbeitet hat. Er konnte nach mehr als zehnjährigem
Studium dieses einzig dastehenden Rodiolorienmuseums fast 4000 Arten unterscheiden
und beschreiben und über 1000 von ihnen auf 140 Tafeln seines großen Challenger -Werkes
abbilden. Alle unsere Figuren auf den Blättern 17 — 23 sind diesem Werke entnommen.
Spätere Expeditionen haben noch immer mehr Arten zutage gefördert, und auch die
große deutsche Plankton-Expedition des Schiffes „'Valdivia" unter Leitung von
Prof. Carl Chun-Leipzig hat die Zahl der Strahlinge bedeutend vermehrt, so daß jetzt
schon weit über 4000 Arten bekannt sind.
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e Mehruhl dieser interessjmten Lebewesen erscheint uns Menschen schSn,
d. h. sie befriedigten unser ästhetisches Gefühl. Die Ursachen dieses Lust-
gtefühls, dieser Freude am Schönen zu 'ergtründen, ist nicht die Aufgtabe
der Naturforschungt, sondern der] Aesthetik. Immerhin aber dürfen wir
auch hier betonen, dafi es wohl in erster Linie die Symmetrieverhältnisse
des Körperbaues sind, die diese Schönheit vieler Naturkörper bedingen.^ Die symmetrische
Anordnungf der Teile um einm Mittelpunkt, um eine Achse oder zu beiden Seiten einer
Ebene, die rhythmische Aufeinanderfolge gleicher oder ähnlicher Teile, die regelmlBige,
auf einer mathematitch bestimmbaren Grundform beruhende Gestalt des Ganzen und
seiner Teile rufen in unserem Gehirn ähnliche Lustgefühle hervor wie etwa die Musik
mit ihrer Aufe i nan d erfolge und Nebeneinanderstellung reiner und abgestimmter Töne.
Die Fähigkeit der Naturkörper, nicht nur der lebendigen, sondern, wie wir noch sehen
werden, auch der sogenannten toten, leblosen, anorganischen Materie, solche regelmäBigen
Gestalten anzunehmen, ist offenbar eine Eigenschaft des Stoffes im allgemeinen und des
lebendigen Stoffes, des Protoplasmas, im besonderen. Und auf diese Eigenschaft wird
auch wohl in letzter Linie unser eigener Schönheitssinn zurückzuführcn sein; denn unser
Körper besteht )a selbst aus diesem Lebensstoffe, dessen erstaunliche Eigenschaften wir
um so mehr bewundern, je beser wir ihn kennen lernen.
Man betrachte die Bilder auf Sehe 17 — 23 und man wird schon aus dieser kleinen
Anzahl sich eine ungefähre Vorstellung von dem Formenreichtttm und der Schönheit der
zierlichen Skelettbildungen bei den Radiolarien machen können. Im einfachsten Fall
besteht das Skelett aus losen Nadeln von verschiedenster Gestalt, die in der die Zentral-
kapse! umgebenden Gallerthülle liegen; oft hat das Skelett die Form eines einfachen
Ringes oder auch eimn Dreifufies; an diese Grundlagen setzen sich dann in mannig^
faltigster Weise Balken und Stäbe an, die sich verzweigen, miteinander verbinden und
so ein außerordentlich verschiedenartiges Netzwerk bilden. Vielfach bildet das Skelett
eine einfache, meist kugelige Schale, die von zahlreichen Löchern oder Poren durchbohrt
ist und von deren Oberfläche Stacheln oder sonstige Bildungen nach allen Seiten aus-
strahlen. Zuweilen liegen iimerhsdb dieser äußeren Gitterschale konzentrisch noch mehrere
andere eingeschachtelt; die inneren sind dann mit den äußeren durch radiale Stäbe ver-
bunden. Die ursprünglichen Gitterkugeln können auch ovale oder eiförmige Gestalt an-
nehmen, oder sie sind zu flachen Scheiben abgeplattet, die ein außerordentlich zierliches
Filigranwerk von Maschen aufweisen, das für weibliche Häkel- oder Stickarbeiten gute
Vorbilder abgeben oder auch den Goldschmieden und Juwelieren als Modell für Schmuck-
sachen dienen ^ann.
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Bei einer g;anzen Abteilung: ^ Radiolarien letzt sicli das Skelett aus von einem
Mittelpunkt auastrablenden rdUalen Stacheln zusammen, die nach einem eigentümlichen
Gesetz angeordnet sind, ln gewism Entiernudg vom Mittelpunkte können an diesen Stacheln
allerlei Abzweigungen, Arme, Äste u> dergl.' ^entstehen. Indem diese Arme zusammen-
wachsen, bilden sich die mannigfaltigsten GlHerschalen von oft überraschend schöner
Form. Wieder andere Skelette erinnern aa Helm^Köabchen, Röckchen, oder sie stellen
Kronen und Ordenssteme dar, die bei der Neuschöpfüitg von Dekorationen ausgezeichnete
Dienste leisten könnten. Bei einer Abteilung der Strahlnlge sind die Skelette aus hohlen
Kieselröhren zusammengesetzt, die oft zu sehr zierlichen ybd erstaunlich verwickelt ge-
bauten Systemen zusamnaentreten. Zuweilen findet sich b^Ndiebco Strahlingen auch eine
tweiklappige Schale, wie wir sie in großem MaBstabe v^^^en M^ischeln her kennen.
/
KUe Radiolarien halten sich lebend an der Oberfläche oder in geringen Tiefen
des Meeres auf. Wenn der Weichkörper, die ZeQe, abgestorben ist, sinken
die Kieselskelette langsam in die Tiefe hinab und bilden hier an be-
stimmten Stellen ganze Schichten von Radiolarien-Schlamm. Legt
man eine wisuige Probe dieses Schlammes nach sorgfältiger Reinigung
und Vernichtung der organischen Substanz in ihm untn das Mikroskop, so hat man
oft 50 — 100 oder noch mehr verschiedene Skelettformen in zsthlreichen Exemplaren vor
sich, ein wahres mikroskopisches Radiolarienmuseum, dessen Anblick jeden Natur-
freund und Künstler in Entzücken versetzt.
Schon in den ältesten Urweltstagen, in der präkambrischen Zeit, haben Radiolarien
gelebt. Man hat ihre Kieselskelette in verschiedenen Gesteinen wohlerhalten gefunden und
in einzelnen Gegenden, z. B. auf der Antilleninsel Barbados, sind sie der Hauptbestand-
teil ganzer Gebirgszüge. Aus diesem Mergel von Barbados sind allein gegen 500
verschiedene Skelettformen bekannt Es verdient hervorgehoben zu werden, daß viele
dieser sdten Formen noch heute lebend Vorkommen ; auch in Sizilien, Csdabrien, Griechen-
land, in Nordafrika, in Nord- und Südaxnerika, auf den Nikobaren und auch in den
Alpen, in England und bei uns (z. B. bei Haldem in Westfalen und Vosdorf bei Braun-
schweig) sind Strahlinge gefunden worden, so daß man deutlich erkennt, daß diese
Tierchen in vergangenen Perioden der Erdgeschichte eine ebenso allgemeine Verbreitung
gehabt haben wie in der Gegenwart.
Ihre Bedeutung in der Gegenwart und für uns ist eine vielseitige. Sie zeigen uns,
welch ein wunderbarer Baukünstler eine einzelne, isoliert im Meerwasser lebende tierische
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Zelle bt, wie sie, ohne doch verwickelt gfebaote Organe und spezialisierte Werkzeuge za
besitzen, die aus dem Wasser abgeschiedene Kieselerde benutzt, um die zierlichsten, kunst-
vollsten Gebilde mit mathematischer Regelmäßigkeit hervorzubringen, in einer solchen
Mannigfaltigkeit der geometrischen Grundform und der Ausffihrung in den unübersehbar
verschiedensten Einzelheiten, daß die blühendste menschliche Phantasie nicht imstande ist,
ähnliches hervorzubringen. Die feste Substanz der Kieselerde wird von einem winzigen,
mikroskopisch kleinen Klümpchen Protoplasma zu Gebilden umgeformt, die ein vollen-
deter Künstler nicht exakter herzustellen vermöchte. Die unerschöpfliche Schöpferkraft
der Natur feiert in diesen kleinen Kunstwerken ihren größten Triumph und fordert die
menschliche Kunstfertigkeit geradezu zur Nachahmung und Nachbildung heraus.
bleibt das unvergängliche Verdienst Haeckels, nicht nur als Zoologe diese
und andere Abteilungen niederer Tiere wissenschaftlich SMgfältig untersucht
zu haben, sondern daß er, selbst ein hervorragender Künstler, auch deren
künstlerische Eigenart voll erfaßt und versucht hat, sie für die Allgemeinheit
und besonders für das Kunstgewerbe nutzbar zu machen. Nachdem Haeckels
Tafelwerk, die ,4^unstformen der Nattir“, zum erstenmal weiteren Kreisen die künst-
lerischen Schatzkammern der Natur geöffnet hatte, war man nach und nach auf diese
mehr oder weniger mikroskopische Märchenwelt aufmerksam geworden und seit wenigen
Jahren bemüht man sich erfolgreich, diesen verborgenen Schönheiten luchzugehen, den
Formenschatz der Schöpfung zu heben und nutzbar zu machen.
Noch sind diese Schönheiten weiten Kreisen ein Buch mit sieben Siegeln. Es geht
ihnen wie es einst den Alpen ging. Auch deren erhabene und gewaltige Schönheiten mußten
erst von einigen auserlesenen Menschen entdeckt werden und dann hat es noch lange,
lange Jahre gedauert, bb Tausende und Hunderttausende den ganzen Zauber des Hoch-
gebirges empfinden konnten. Aehnlich ist es auch mit den mikroskc^ischen Schönheitea,
die überall in der Natur, in der leblosen wie in der lebenden, zu finden sind. Auch zu
ihrem Verständnis müssen die Menschen erst nach und nach erzogen werden. Unser
vorliegendes Buch soll die Freude an diesen Erscheinungen und Gebilden wecken, das
Verständnis für ihre Gestaltungen anbahnen und im Genuß ihrer Schönheit dem Kunst-
sinn Anregung bieten.
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5J
KLunst und Symmetrie im Leblosen. Unke Reihe: Aufspriticnde Flüssigkeit beim Einwurl einer kleinen Kugel
in Wasser (Momeniphotognphien). Rechte Reihe und tnittlerc oi»cn; Durch Dtllusion» d* b« einen Mischungsvorgang von Flüssig*
keiten verschiedener Dichte« unwillkürlich» ohne Zu'un entstandene Figuren il’hoiographien aus „Mikrokosmos". FranckKsdie
N'ciiogshandlunf, Sruiifon). ln der Mitte unten: Hohlriumc» die sich in der Einschlußmatse mikroskopischer Präparate von
selbst bilden (Phoiosraphir von E. Reukauf. Weimar).
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Kristaliformen (voa H. Sdtcnk). Tropfen verschtedeoer Salsidsungen» auf dem Objektglas des Mikroskops loffi
fCHstallisieren gebracht* (Aus „Njturformcn" t. Serie. Mikroskoplsdte Vorbilder Praodrhsdkc Verlsgslundtuiis, Siuttgon.)
53
Flüssige KristAlle (in den S«itcnfcMcrn ringsum] und feste Kriststlc (in der Miite).
(Photographien von Professor Dr. Oao Lehmann. Karlsruhe L B.)
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54
Metalle unter dem Mikroskop* Ol-m: SchnittstcUcn von Kupferdraht* I50fach vergröfiert. (Au* wMikrokosmrt*,
I-ran«KI.4<fte V'rrUK^Itan'lltinf:, Siuti;;.'iri.) Untm; Struktur von Rotguß» Bronse» Grauguß* (Bri (rerrrrm rrkmnbar sdiwarsc Adrr?
von Graphic. lowiv*, heller. Ferrit un<l phosphorH.i!i;.?e Ennl.tgenmrcn ) In der Mit:«: SlCgCrländtr Spieg«I«isen (U«ki) und Obcrflüch«
eines langsam erkalteten Antimonblocks« (l>ic EUlckr in der minieren und unteren Knhe mit Cenehmiruttg der A. C. O.« Ber'i'v:
55
Urpflanzen. I.inke Reihe: ICttSclAlgm und DiAtomeenerdc« (Ai:i „Franc/, teben der i’flanzc". FranAhsHie VcrUij^itundiun;, S'uit*
garr.) Rr<trc Reihe (von oben narti unten:: Blaualgenfäden in gemeinsamer Gallertkugel; Planktoo-Kicsclalge det Meeres}
belmförmigc GiirteUIge und Plankton-Kieselalge des Meeres. (Mikr.'j'hs't.vraphien von M. Reukjuf. \X eimar.)
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56
OI>c:i: Zahlreiche verschiedene Dutomeenformen (links). Diatomeenschale) strahlig gefaltete Sonnenschildalge (rtdirs).
rhoro^rjphien von K. Dirdrricht, Hutin. ln Her Mine: Stück vom Pleurosigma (Kieselalge). 1300 mal vergrößert (Mikrophotojrraphie
von IL Mjy. Cs«h^tz). Utucn: Dreiborn-Kietelalge (ln der Mitte). Photographie von K. Diedcridks, liutln. Stemartige mehrzellige Grünalge
(rediti und links). PhoiogriiplUc E. Reukauf, Vl'eimar.
57
(Voo liaks ud» redtis.) Oben: Aestc voixi gewlmpcrtcn HorntAng (40 (ach)* Schlcimpilx ((^otographica von H. May,
Osdiatz). Unten: SproBpUx 'Verband aus BIutcn-NcktaHen fhtoiographk von E. Reukauf, Vi'eimar). Jocbalgen in Con'
fogation (Phofofraphtc von R. May, Otdiat:}. Perlschnurförmigc Blauatge* Schraubenalgen mit Blattgrünbändcm (Photo«
graphien von L. Reukauf. W etfnar).
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58
Mikroskopische Einblicke in das Pflanzenlcben. (Von imks na<t< nrfin.j Obrn: Ficdcmarbe vom Roggen, mit
Ansitzenden Blutenstaubkörnchen (Mikropbo<oi;r;i(»hic von L. Reukjuf, VTdmar). Vegetationskegel (Sproßscbeitel) des T anneo*
Wedels* Ui'Kierxcits nin<i iün;;ttim R!.itr4nb.<«n vrkitrnnbar. O'borographie von B. May. Osduis.) Urnen Ont Kfvis): SpOfentchlöucbc der
Speisemorchel. Den Rahmen bildet die stark vergrößerte Haut der vtrginischen Tradetcantie mit Spaltöffnungen
(Rhoiogrjptiie von l Lins Uopter, Mündien). Weizenkoro» Längsschnitt (Aus: rr^nc.^ I eben <kr Rfianrc. Frandhsdic Veriaffshamituns, SruixgaMl-
59
■ aßet der Beobachtung: der Strahlentierchen hat sich Haeckel der Er-
forschung: der Medusen und Staats- oder Rdhrenquallen g:ewidmet,
welche Tierklasse eine Fülle der wunderbarsten und herrlichsten Tiere
enthält. Während man die reisenden und unendlich mannigfaltig:en Skelette
und Gerüste der Radiolarien, wenn man sie ohne den Weichkörper der
lebenden Zelle betrachtet, aus der ein einseines solcher Strahlentierchen besteht, als
Kristalle beseichnen möchte, ist für die Medusen und Staatsquallen der Ausdruck Blumen
und Schmetterling:e des Meeres vielleicht am ang:ebrachtesten.
Wer als Laie sum erstenmal unbefang:en die Bilder von Polypen, Medusen und
Staatsquallen betrachtet, wie sie in mannigfachen Formen die Bilder dieses Werkes wieder-
geben, wird in diesen sonderbaren, strahlig und symmetrisch gebauten Gebilden kaum
Tiere vermuten; er wird sie eher für Pflanren, für Blumen und Früchte halten. Wer
aber einmal selbst gesehen hat, mit welcher Eleganz sich diese in allen Farben prangenden,
wie Kristall durchsichtigen, ätherischen Tiere im Wasser wie spielend bewegen, wer das
Spiel ihrer oft außerordentlich dehnbaren Fühl- und Fangfäden, das rhythmische Auf- und
Zuklappen ihres glockenförmigen Körpers stundenlang beobachtet hat, ohne zu ermüden —
deim immer entdeckt man neue Reize, wie bei den anmutig:en Bewegungen einer schönen
Tänzerin — , der vergleicht diese herrlichen Wesen unwillkürlich mit den buntschillernden
Schmetterlingen, die an warmen Sommertagen über blumige Wiesen hingaukeln und sich
bald hier, bald dort auf einer Blume niederlassen oder sich in neckischem Liebesspiel
gegenseitig verfolgen.
Haeckel hat auch über die Medusen und Staatsquallen die ersten großen Mono-
graphien mit vielen schönen Tafeln und Abbildungen veröffentlicht, denen eine Anzahl
Figuren auf den vorstehenden Tafeln entnommen sind. Mir selbst ist der Tag in steter
Erinnerung geblieben, an dem ich zum erstenmal lebende Medusen untersuchen konnte,
nachdem ich sie vorher oft genug von Bord des Dampfers aus, der mich nach Brasilien
brachte, gesehen hatte. Es war im Hafen der Stadt Bahia im tropischen Nord-Brasilien.
Als unser Dampfer in die schöne Bucht einlief, schwammen in ihrem klaren Wasser
Tausende von durchsichtigen, tellergroßen Medusen umher, von denen leicht mit Hilfe
eines Eimers beliebig viele an Bord geholt werden konnten. Mit welcher Freude und
mit welchem Genuß ich als junger Naturforscher, der eben erst aus Haeckels Unterricht
kam, nun diese prachtvollen Tiere untersuchte, zerlegte und zeichnete, das kann nur
der mir nachfühlen, der in ähnlicher Lage war und dessen Sehnsucht es seit langem
gewesen ist, einmal lebende Medusen sein eigen zu nennen. Für uns Landratten gehören
sie einer neuen Welt an, die zuerst ganz fremdartig berührt, die aber bald durch den
Zauber, der von ihr ausgeht, in Entzücken versetzt. Staunend und bewundernd stehen
H,«Sd S
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wir vor der unbeg^reiflichen Sclidpferkraft des Meeres, die in solcher grandiosen Ver-
schiedenartigkeit der Formen und Farben die reizvollsten Geschöpfe hervorbringt, die oft
aus mehr als 90 Prozent Wasser und aus einem oder weniger Prozent lebender Substanz
bestehen und doch so kunstvoll und künstlerisch gestaltet sind, daß keine menschliche
Phantasie Ähnliches ersinnen kann.
Einmal auf meiner Rückreise von Brasilien nach Europa fuhr unser kleines Segel-
schiff durch einen gewaltigen Schwarm schöner, bläulich schimmernder grofier Wurzel-
qu allen. Nicht Tausende, sondern viele Hunderttausende schöngeformter Glocken mit
herabhängendem Magenstiel, mit Mundatmen und dehnbaren Fang- und Fühlfäden
(Tentakeln) schwammen durch die rhythmischen Zosammenziehungen ihrer Körper ruhig
in dem ziemlich stillen Wasser der Tropenregion umher. Der ganze Körper dieser schönen
Meerestöchter ist glasartig durchsichtig, so daß man ohne weiteres alle wesentlichen Teile
erkennen kann.
Es wurde bereits gesagt, daß man die in dem blauen, klaren Meerwasser ihres Weges
dahiiuiehenden Tiere mit den bunt schillernden, in der Luft umherfliegenden Schmetter-
lingen vergleichen kann. Jedoch der Vergleich hinkt, wie tJle Vergleiche; denn die Quallen
sind meist gefräßige und gefährliche Raubtiere, während die Schmetterlinge sich nur von
Blumensäften ernähren. Ihre Beute fangen die Quallen mit den gewöhnlich vom Glocken-
rande herabhängenden Tentakeln, die oft über und über mit sogenannten Nesselzellen
besetzt sind, mikroskopischen Schleuderwaffen, die oft gruppenweise angeordnet sind und
förmliche Nesselpatronen und Nesselbatterien bilden. Millionen solcher Nesselzellen,
deren mit einem Widerhaken an der Spitze versehener Faden sich in die Haut der zu
ergreifenden Beute einbohrt und eine ätzende Flüssigkeit in die kleine Wunde ergießt,
findet man oft bei einer einzelnen Meduse. Die Tentakeln, deren Zahl zwischen wenigen
und Hunderten schwankt, können sich oft stark ausdehnen und zusammenziehen. Eines
Tages fing ich mehrere Exemplare jener an der Oberfläche des Meeres schwimmenden,
wundervoll blau gefärbten Staatsqualle Physalia, die die englischen Matrosen »Portugese
man of war“, portugiesisches Kriegsschiff, nennen. Um die Dehnbarkeit der zahlreichen,
von der Unterseite der stattlichen Schwimmblase herabhängenden Tentakeln zu erproben,
ließ ich einen unserer Matrosen, der am Bug des Schiffes stand, die Physalia festhalten;
ich selbst berührte die Enden einiger Tentakeln mit einem kleinen Stock, an dem sie
sofort kleben blieben, und ging dann langsam rückwärts. Ich konnte mindestens 20 Meter
weit gehen und noch immer dehnten sich die Tentakeln aus, bis sie schließlich z^issen,
vermutlich aber wesentlich deshalb, weil sie an der heißen Tropensonne schnell trockneten.
Hätte ich sie im Wasser ausziehen können, so wäre ihre Dehnbarkeit wohl noch größer
gewesen. Bedenkt man nun, daß einzelne größere Quallen oft zahlreiche Tentakeln haben,
die sich nach allen Richtungen ins Wasser hinein ausstrecken können, so sieht man sofort,
daß die Tiere einen im Verhältnis zu ihrem Körper sehr großen Raum mit ihren stark
bewaffneten Fangfäden bestreichen können. Bedenkt man weiter, daß viele Quallen in
gewaltigen Scharen auftreten, so begreift man, daß ein solcher Quallenschwarm für in
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6t
seinen Bereich konunende kleinere Tiere, wie Krebse, Fische u. dg;!. auBerordentlich gt-
fährlich werden kann. Größere Quallen, namentlich wenn sie in bedeutender Zahl auf-
treten, sind schon oft badenden Matrosen verhknfnisyoll geworden.
Die Medusen sind gfeschlechtlich differenzierte Tiere, d. h. sie erzeugen männliche
Samenzellen und weibliche Eier. Bei einigen Medusen, besonders bei denen, die im
offenen Meere, also weit von der Köste entfernt, pelagisch leben, entwickelt sich aus
dem befruchteten Ei direkt eine neue Meduse. Bei anderen, namentlich bei denen, die
sich in der Nähe der Küsten aufhalten, entsteht aus der befruchteten Eizelle zunächst
ein ganz anderes 'Viesen, das dem äußeren Ansehen nach gar keine Ähnlichkeit mit
einer Meduse hat. Es bildet sich nämlich nach einigen vorbereitenden Stadien der Ent-
wicklung ein Polyp, ein röhresiförmiges Gebilde, das mit seinem unteren Körperende
an Steinen, an Pflanzen, an Muschelschalen u. dgL festwächst und an seinem oberen
Ende eine Öffnung, die Mundöffnung, hat. Um diese Mundpartie herum stehen, in der
Regel ringförmig angeordnet, Tentakeln. Gewöhnlich findet man diese Polypen zu
Gruppen vereinigt, oft wachsen sie aus einem gemeinsamen Wurzelgeflecht hervor. Der
Laie wird diese Tiere beim ersten Anblick für Pflanzen halten, die Köpfchen mit den
Tentakeln für Blüten. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch die lebhaften Farben,
durch die viele dieser Tiere ausgezeichnet sind.
Zu einer gewissen Zeit nun sprossen, meistens unterhalb der Tentakeln, an dem
röhrenförmigen Körper der Polypen eigentümliche Gebilde hervor, vergleichbar den
Blutenknospen oder auch den Früchten der Pflanzen. Aus diesen Knospen werden nach
und nach Medusen, die sich loslösen und frei im Wasser umherschwimmen. Polyp
und Meduse sind also genau genommen nur zwei Generationen desselben Tieres. Der
Polyp erzeugt durch ungeschlechtliche Knospung Medusen, die ihrerseits auf geschlecht-
lichem Wege, durch befruchtete Eier, wieder Polypen hervorbringesi. Diesen regel-
mäßigen Wechsel zwischen einer geschlechtlichen und einer ungeschlechtlichen Generation
nennt man Generationswechsel. Er kommt auch in anderen Abteilungen des Tier-
reiches vielfach vor und findet sich auch im Pflanzenreiche.
Es gibt auch Medusen, die ihrerseits durch ungeschlechtliche Knospung direkt
Medusen erzeugen; sie knMpen entweder am Glockenrand oder am Magenstiel, der aus
dem inneren Grunde der Glocke hervorragt. Hier ist also die Polypen- Generation ganz
in Wegfall gekommen.
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0 r Fcstlaodbewohner, der ab und tu eins der Bäder an den Küsten der
Nord- und Ostsee besucht, macht in der Rc^el wenigstens die Bekanntschaft
einet bestimmten Qualle, der Ohrenqualle, Aurelia, und kann sich durch
Berührung derselben leicht von der Wirkung der Nesselorgane überxeugen.
Sie erzeugen auf der Haut ein Brennen und Jucken, das ähnlich dem ist,
das die Berührung mh Brennesseln hervorruft. Ist schon eine solche Meduse für den
Laien ein sehr fremdartiger Anblick, so steht er vollends ganz erstatmt da beim ersten
Anblick eines Jener wunderbaren Meereswunder, das die Zoologen Röhrenquallen, Staats-
quallen oder Siphonophoren nennen.
Wenn solch eine Rührenqualle, wie sie zum Beispiel auf Seite 39 abgebildet ist,
an der Oberfläche des ruhigen Meeres warmer Gegenden schwebt, so gleicht sie einem
schwimmenden Blumenstock, dessen Blätter, Ranken, Blüten und Früchte wie aus lebhaft
bunt gefärbtem durchsichtigen Kristallglas gebildet erscheinen. Die Formen der einzelnen
Teile sind auBerordentlich zierlich und oft so zart und durchsichtig, daJB sie im Seewasser
kaum wie ein Hauch oder Nebel wahrzunehmen sind. Die Bewegungen der Tiere sind
leicht und einfach; oft schweben sie im ruhigen oder kaum bewegten Wasser sanft
dahin, oft sind ihre Bewegungen schnell und energisch. Bald ziehen sich die einzelnen
Teile des Tieres zusammen, bald dehnen sie sich aus; es ist ein immer wechselndes
Spiel, das den aufmerksamen Beobachter aufs hüchste fesselt und entzückt. Die Natur
hat kaum etwas Zarteres und Farbenprächtigeres hervorgebracht als diese wunderbaren
Wesen, deren Körper, gleich dem der Medusen, aus über 90 Prozent Wasser besteht,
während nur ein geringer Bruchteil lebende Substanz ist. Dem Laien und Binnenländer
erscheinen diese Ozeantöchter geheimnisvoll und phantastisch und er weiB nichts Rechtes
mit ihnen anzufangen.
Der Zoologe sagt uns über sie kurz folgendest Die Röhrenquallen sind nicht einzelne
Tiere, sondern Tierstöcke, Tierkolonien, vergleichbar etwa einem Baum oder einem
Korallenstock. Die einzelnen Teile einer Röhrenqualle sind ursprünglich Medusen, die
zu einer gemeinsamen Kolonie zusammengeschlossen sind. Die einzelnen Individuen dieser
Kolonie oder dieses Staates übernehmen verschiedene Arbeiten für die Gesamtheit. Die
einen besorgen die Fortbewegung (Schwimmglocken), die andern den Fang der Beute
(Fangfäden), wieder andere fressen und verdauen die Beute und ernähren so den
ganzen Stamm (FreBpoIypen), noch andere vermitteln den Verkehr mit der AuBenwelt
(Fühl- und Tastpolypen) und schlieBlich befassen sich einige ausschlieBlich mit der Fort-
pflanzung (Geschlechtspolypen). Alle diese ursprünglichen Medusen teilen sich also ln die
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Arbeit ffir den gfaruen Stock oder Stant. Infolge dieser Arbettsteilong wurde bei den
einen dieses» bei den anderen Jenes Organ überflüssig and yerkümmerte» wurde rudimentär
und yerscbwand mehr und mehr. Diejenigen Organe aber, die für die betreffende
Funktion oder Arbeit in erster Linie in Betracht kommen, wurden erhalten und bildeten
sich besonders aus. So haben die ursprünglich gleichartigen Medusen im Laufe der Zeit
eine ganz verschiedene Gestalt angenommen, indessen kann man bei den meisten doch
noch deutlich erkennen, dafi sie in Ihrem anatomischen Bau auf Medusen surückgeführt
werden können.
In der Zartheit und Durchsichtigkeit ihres Körpers, in der leuchtenden Pracht ihrer
Farben, in der Eleganz ihrer Bewegungen haben diese wahren Meereswunder nicht ihres-
gleichen. Sie sind würdig, von den Dichtem besungen und von Künstlern gemalt
tu werden.
Jon den ersten, bescheidensten Anfängen der menschlichen Kultur an bis
heute hat die bildende Kunst ihre Vorbilder, ihre Modelle vorwiegend den
Erzeugnissen der Natur entnommen, von denen der Mensch umgeben war
und ist. Schon unsere alten Vorfahren in der Hunderttausende von Jahren
hinter uns liegenden Steinzeit, die uns auf den Wänden der von ihnen
bewohnten Höhlen oder auf den Geweihen und Knochen der von ihnen erschlagenen
Tiere die ältesten Spuren einer Kunst hinterlassen haben, legten ihren Zeichnungen und
Schnitzereien diejenigen Tierformen zugrunde, mit denen sie in täglicher Berührung
waren. Ihre Kunstfertigkeit war schon so grofi, da£ wir in diesen Zeichnungen noch
heute auf den ersten Blick Tiere wiedererkennen, die damals in Mitteleuropa lebten,
heute bei uns aber längst ausgestorben sind.
Diese zeichnerische oder plastische Nachbildung von Tieren aus der unmittelbaren
Umgebung finden wir auch heute bei den noch existierenden wilden Völkern, die niemals
mit höher entwickelten, zivilisierteren Völkern in Berührung gekommen sind. Der durch
seine großen Reisen in Zentral -Brasilien bekannte Geograph Karl von den Steinen
fand am Kulisehü, einem Nebenflüsse des dem Amazonenstrom angehörenden Xingü,
Völkerstämme, die Bakairi und Verwandte, die zur Zeit ihrer Entdeckung noch voll-
ständig in der Steinzeit lebten, die noch niemals einen weißen Menschen gesehen, niemals
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ein Stfickchen Metall in ihren Händen {fehaht hatten. Bei diesen friedlichen und freund,
liehen Indianerstämmen konnte Karl Ton den Steinen beobachten, daß die Anfäng^e
aller Konst and Technik tatsächlich in einer Nachahmung; der Natur bestehen.
Die Schuppen der Fische und Schlang;en dienen diesen Urmenschen als Vorbilder für ihre
einfachen Ornamente, mit denen sie ihre Werkzeuge und Waffen schmücken. Bei der
Herstellung von Töpfen und Gefäßen aller Art aus Ton oder aus Flechtwerk ahmen sie
die Gestalten verschiedener, ihnen wohlbekannter Tiere nach, die sie vortrefflich, wenn
auch natürlich nur sehr einfach, zu charakterisieren wissen. Atis Ton bilden sie bald
flachere, bald tiefere Schalen, die sie mit Anhängen mannigfachster Art versehen, denen
man auf den ersten Blick ansieht, weiches Tier als Vorbild gedient hat.
Daß in solchen Ländern wie Brasilien der Körper der Tiere an sich als Modell
zu Gefäßen und Töpfen benutzt wurde, kann nicht wundemehmen. Sind doch die
Rückenpanzer der Gürteltiere oder der Schildkröten ohne weiteres die schönsten und
brauchbarsten Töpfe und Behälter, die zu mancherlei Zwecken Verwendui^ finden können.
Derartige Tiere werden also wohl schon frühzeitig zu diesen Zwecken benutzt worden
sein. Nach und nach fand der Urmetisch an der Nachahmung und Modellierung der
Formen Gefallen, und er gab seinen zunächst zu häuslichen Zwecken dienenden Erzeug-
nissen dann auch bald die Gestalt anderer Tiere, mit denen er bekazmt war. In der Tat
benutzen die Indianer am Xingü als Vorbilder bei der Erzeugung ihrer Gefäße fast
alle ihnen zugänglichen Tiere. Karl von den Steinen fand folgende Tiere in deutlich
erkennbarer Gestaltung nachgeahmt t Fledermäuse, Eichhörnchen, Marder, Faultier,
Ameisenbär, Gürteltier, Sperber, Eule, Taube, Waldhuhn, Rebhuhn, Ente, Schddkrötea,
Kaiman (Krokodil), Eidechse, Chamäleon, Kröte, Fische, Krebs, Asseln, Zecken und
Insekten. Auch viele Früchte geben vortreffliche Vorbilder ab. Eine durchgeschnittene
Kürbisschale ist ein brauchbares Trinkgefäß und wird auf seiner Außenseite oft und gern
mit einfachen Ornamenten verziert. Noch heute ist in ganz Brasilien und anderen
südamerikanischen Ländern die Cuya, ein kleiner Kürbis mit Zeichnungen auf der Außen-
wand, das all verbreitete Gerät, aus dem der einheimische Mat6, der sogenannte Paraguaytee,
vermittels dnes Röhrchens, der Bombilha, getrunken oder vielmehr gesogen wird.
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a itse Nachbildung von Naturprodukten als Beginn der bildenden Kunst des
Menschen ist ein Gesetz, das wir nicht nur bei den noch heute lebenden
^wilden'' Völkern beobachten, sondern das seine Gültigkeit bei allen Völkern
und zu allen Zeiten hat. Die schlanke, hinunelanstrebende Palme wurde
zum Urbild der Säule, die Lotosblume mit ihren Blütentellera und Früchten
lieferte das Modell zu SchÜdem, Paletten und Tellern, der Blumenkelch ein solches zu
Urnen und Vasen. Der deutsche Hochwald mit seinen laubgekrönten Buchen und seinen
himmelaufwärtsstrebenden Fichten ist wiedetzufinden in den hochgewölbten Domen, deren
Decke das Himmelsgewölbe TersinnbÜdlicht.
Zu Beginn der menschlichen Kultur sind es mehr die Tiere als die Pflanzen, die
zur künstlerischen Nachahmung reizen. Ganz natürlich, denn der schwere Kampf ums
Dasein, den alle primitiven Völker zu bestehen haben, bringt sie in viel innigere
Berührung mit dem Tierreiche denn mit dem Pflanzenreiche. Die Urmenschen müssen
viele Tiere in ihren Eigenschaften genau beobachten, wenn sie sich ihrer mit Erfolg
erwehren oder wenn sie solche zum Zwecke des Gebrauchs, zur Nahrung fangen oder
erlegen wolleti. Außerdem werden die frei beweglichen, lebendigen Tiere auch in viel
höherem Maße die Aufmerksamkeit der Menschen erregt haben als die an den Ort
gebundenen Pflanzen, deren Lebensäußerungen verborgener sind. Dasselbe ist {a noch heute
bei unseren Kindern zu beobachten, deren geistige und künstlerische Betätigungen so viel-
fach mit denen primitiver Völker übereinstimmen, wie das nach dem biogenetischen
Grundgesetze Haeckels (a auch leicht verständlich ist. Erst bei etwas vorgeschrittener
Kultur, erst wenn die Völker seßhaft geworden sind, wenn sie anfangen, sich mit Ackerbau
zu beschäftigen, erst dann fallen ihnen auch die Pflanzenformen auf, und sie suchen sie in
der mannigfachsten Weise für ihre gewerblichen und künstlerischen Zwecke zu verwerten.
Namentlich zum Schmuck und zur Omamentierung fester und größerer Geräte, von
Geschirren, Werkzeugen und Waffen werden nach und nach immer mehr Motive aus dem
Pflanzenreiche herangezogen. Das Blatt von Acanthus mollis lieferte im Altertum
bekanntlich ein sehr beliebtes Vorbild zu den Arabesken an den Kapitälen der Säulen
und wird zu diesem und zu ähnlichen Zwecken ja auch noch heute von unseren
Architekten benutzt. Aus der Rose wurde die Rosette, aus dem Fächerblatt der Zwerg-
palme oder dem abgeschnittenen Gipfel der Dattelpalme die Palmette. Die alten Ägypter
können geradezu als die Erfinder des Pflanzenomaments bezeichnet werden, sagt Karl
Wörmann in seiner großen Geschichte der Kunst, und besonders ein Stück ihres Pflanzen-
omaments hat sich von Volk auf Volk, von Jahrtausend zu Jahrtausend vererbt.
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Diese umfassende und sclion frühzeitig auftauchende Benutzung der Pflanzenwelt
für künstlerische Zwecke hat sich nicht nur bis heute erhalten, sondern sie hat yon
Jahrhundert zu Jahrhundert zugenommen, und heute werden nsindestens 600 charakte-
ristische Blatt- und Blütenformen in der Dekorationskunst und im Kunstgewerbe Ver-
wendung finden. Zeichner und Künstler sehen sich Tag für Tag nach immer neuen
Motiven um, um durch deren Stilisierung und Omamentierung immer neue, von dem
wechselnden Geschmack der Mode geforderte Muster für Tapeten, Teppiche, Gardinen usw.
auf den Markt bringen zu können.
Es ist leicht verstindlich und erklärlich, daß die Künstler bei den Versuchen, stets
neue Kunstformen zu schaffen, sich zunächst an die ihnen bekannte einheimische Tier-
und Pflanzenwelt halten; erst weim diese erschöpft ist, wenden sie sich an die oft reicheren,
formenschöneren und farbenprächtigeren Gestalten wärmerer Länder, und die Tropen
haben Ja seit langer Zeit mit ihrer unerschöpflichen Fülle interessanter Lebensformen
neue Motive in ungezählter Menge dargeboten. Die großen naturwissenschaftlichen Ent-
deckungen, die im Anschluß an zahlreiche berühmte Forschungsreisen auf den Gebieten
der Zoologie und Botanik gemacht worden sind, kamen oft auch der Kttnst und dem
Kunstgewerbe zugute. Diese Zusammenhänge sind Jedoch von der Wissenschaft, von den
Zoologen und Botanikern, durchaus nicht immer begriffen worden.
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Schmuckformen der Pflanzen und Blumen. Von links na<h r«<<>n! Petunie — Afrikanische Calla — Gloxinie
((*hotPfrapl)i<ii von hVji<Mi Alinari. Flortnz).
Ha«k<| 9
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Oben: Veränderlicher Steinbrech (PhoTOjtrjjlkie von Han« Dopfer, NtünAcn). Japanische Quitte (Phot. Fmtelli AliruH, FVorenri
Um<m Langblättrige Alpenrose (l'liot. braictli Atmah, Floren:). Kanarischer Efeu* Mosaikbüdung (Phot. Hans Dopfer, Mäod»en\
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AußM ßin»cnarttgcr PIricmca (Ginster).
Im Ovai: Margheriten (Chrysiatbcmum) (?hot. PraKlIi Alinjri, riorenx).
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Oben: Blütcnkaticbcfi der Zitterpappel (Pho«. Henry lr\-inr. GoWi?»oni, l.cr<b*onh). Unten: MargbcHtcn (Pbot- H. OesterrdA, Berlin).
Plataoe (PhoL Henry Irving). — Wtlxnores Erika (Phot. iTatcUi Alinjri. I'lorenr).
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0.«„: KO.C 01.«. .1. occrr..*, Dahli. (I=. C Mel,..«,., EKur,,. , Julp.. G..0IIU (PH«.F.C.Hd«=-« E^
1„ d„ Min«: Blatt-Begonie oder Schlclblitt (Phot. I raiell. Alioiri, Bore«).
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KJltschmohn» redus eine gcffltlie Blüre (Vhor. Fr^tclli Alinari, Floren:).
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OWn- Krokus b<l br^ianendcr Schncrschmcitc O'hot. M.m$ Üopfrr, MQn<hfn). Igelkaktus (Phot. OebrOder lUedirl, Berlin)
Uiuen: Haarschopf - Kaktut ü^brüder Har<bd. Hcrlm). Uebervioterte Distel (Phot. Oeof^ E. F. Sdtulz, BcHio • Frtedeajo)
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ur Zeit des alten Linn^ des großen Begfrfinders der systematischen Zoologie
und Botanik, wurde derjenige ein großer Zoologe genannt, welcher die
meisten Tiere bei ihrem lateinischen oder griechischen Namen zu nennen
wußte; und ein herrorragender Botaniker war, wer von den zahlreichsten
Pflanzen zu sagen wußte, wes Art und Name sie seien. Die natur-
wissenschaftlichen Sammlungen enthielten getrocknete Hiute und Bilge von allerlei Getier,
das da kreucht und fleucht, wohl auch Schlangen und seltenes Gewürm oder grausige
Meeresungeheuer in Spiritus auf bewahrt; und die Botaniker trockneten alle erhiltlichen
Pflanzen, preßten sie zwischen Papier zusammen, bis sie möglichst unkenntlich geworden
waren und nannten eine solche Heusammlung dann stolz Herbarium. Ich selbst habe
noch als Knabe auf der Schule solche Sammlungen anlegen müssen, weil man damals
meinte, sie gehörten zum eisernen Bestand eines ordentlichen naturwissenschaftlichen
Unterrichts.
Die nachlioniische Naturforschung ist andere Wege gegangen. Sie konnte natürlich
nicht die einfache Kenntnis der Tiere und Pflanzen entbehren und brauchte auch Namen
für die einzelnen Arten. Aber sie legte doch mehr Gewicht auf die Erkenntnis ihres
anatomischen, inneren Baues, ihre Entwicklung und ihre oft so herrlichen Formen.
Doch auch diese vergleichenden Anatomen und Embryologen untersuchten nur die toten
Tiere und Pflanzen in ihren Studierstuben und Laboratorien, und nur selten ging einer von
ihnen hinaus in die freie Natur, um das Leben derselben kennen zu lernen. Wer es doch
tat, wie der alte Spandauer Rektor Christian Konrad Sprengel, der die Befruchtung
der Blumen durch Insekten beobachtete, fand bei seinen Zeitgenossen keine Anerkennung.
Er entdeckte wohl bis dahin verborgen gewesene Geheimnisse der Natur, aber er
wurde mitsamt seinem wunderbaren Buche so vergessen, daß man heute nicht einmal
weiß, wie er gestorben und wo er begraben ist.
rst der große englische Naturforscher Charles Darwin hat uns wieder
mitten in die lebendige Natur hineingestellt; erst er hat uns nachdrücklich
darauf aufmerksam gemacht, daß die Tiere und Pflanzen gleich uns
lebende Wesen sind, und daß wir sie nur verstehen können, wenn wir uns
liebevoll in ihr Leben versenken und die vielfachen Beziehungen, in denen
ie alle untereinander stehen, aufmerksam studieren. Darwin müssen wir als den Schöpfer
der Wissenschaft vom Leben, der Biologie verehren, deren tausenderlei Rätsel zu lösen
das heiße Bemühen der jetzigen Forscher ist.
Moderne, in Darwins Schule aufgewachsene Biologen waren es auch, die unsere
Augen zum ersten Male für die Fülle von klar daliegenden und verborgenen Schönheiten
Hk.u ;o
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gebllaet haben, durch die nicht nur die lebenden, sondern auch viele leblose Naturk&rper
sich auszeichnen. Nicht trockene und langweilige Gelehrsamkeit soll die heutige Natur-
forschunj; sein, nicht abstofiend auf frische und begfeisterungsfähig^e Geister soll sie wirken,
sondern sie selbst soll Leben sein und das Gefühl in uns erwecken, daB wir, mitten im
Leben stehend, ein Glied seines großen Org’anismus sind. Wir sollen Freude empfinden
über alle unsere Mit^eschöpfe im Wald und auf der Haide, im Wasser und in der Luft.
Das Gestein im Innern der Erde soll uns ebenso zu liebevoller Betrachtung; anre^en wie
der gflünzende Kristall, die schnell verdinglichen Eisblumen an unseren winterlichen
Fenstern, die Blumen auf den Fluren und Wiesen, die buntschillernden Schmetterlinge, die
metallglänzenden Käfer, die |auchzenden Vögel der Luft, die sonnenschönm Medusen und
geheimnisvollen Staatsquallen des Ozeans und wie alle die anderen unzähligen Wtmder,
mit denen Mutter Natur unsere Erde so verschwenderisch ausgestattet hat.
Zu der rein wissenschaftlichen Betrachtung der Naturkörper hat sich in
unseren Tagen die künstlerische gesellt, und wenn es wahr ist, da£ die Kunst in ihren
verschiedenen Äußerungen die Blüte des menschlichen Lebens ist, so wird durch eine
solche künstlerische Naturbetrachtung ohne Zweifel auch die Wissenschaft selbst auf ehus
höhere Stufe erhoben.
Unerschöpflich ist der fruchtbare MutterschoB der Natur I Ehe noch vor Jahrhundert-
millionen zum ersten Male lebende Wesen auf der Erde entstanden, hatte die Natur schon
herrliche Kristalle, glänzend und farbenprächtig, hervorgebracht, und seit jenen fernen
Urwelttagen hat sie eine immer steigende Fülle der formenschönsten Pflanzen und Tiere
erzeugt, deren Kette nicht abreißt und deren Glieder wir noch lange nicht alle keimen.
Igachdem wir vorhin die Meeresbewohner betrachtet, werfen wir jetzt einen
Blick auf die Kunstformen der leblosen (anorganischen) Welt, die uns
zumeist in Gestalt von Kristallen entgegentreten. Wir erkennen ohne Mühe,
daß ein Kristall von ebenen Flächen und geraden Linien, den Kanten, be-
grenzt ist, die sich unter ganz bestimmten, bei den einzelnen Formen immer
wiederkehrenden Winkeln schneiden. Jeden Kristall kann man auf eine ideale mathema-
tische Grundform zurückführen, die man erhält, wenn man durch den Mittelpunkt des
Kristalls Ebenen legt, in denen bestimmte Ecken von ihm liegen. Durch diese Ebenen
wird der Kristall in symmetrische, d. h. spiegelbildlich gleiche Teile zerlegt. Der Kristall
erscheint danach niirb festen mathematischen Normen symmetrisch aufgebaut, und diese
Symmetrie und Regelmäßigkeit befriedigt unser SchönheitsgefühL Je vollkommener,
regelmäßiger, gleichmäßiger ein bestimmtes Kristallindividuum ist, um so schöner finden
wir es. Den Grund für diese Symmetrie der Teile und für die mathematisch bestimmten
Achsen und Winkel haben wir offenbar in Grundeigenschaften der die Kristalle aufbauen-
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den Stoffe tu suchen. Wir werden den Atomen und Molekülen des Stoffes bereits eine
Sfanz bestimmte, feste Grundform zuschreiben müssen, die beim Aufbau der Kristalle
immer wieder zum Vorschein kommt. Nur im Vorbeigehen sei bemerkt, da£ die moderne
Chemie nach dem Vorbild Tan’t HofPs ebenfalls zu der Annahme gekommen ist, daß die
Atome eine bestimmte stereometriiche Gestalt haben müssen.
Grundformen unterscheiden. Auch hier sind Achsen und Symmetrieebenen zu erkennen
und die Zahlen und GrüfienTerhältnisse, ihre Endpunkte, die Winkel, unter denen sie sich
schneiden, lassen sich ebenfalls mathematisch genau bestimmen und berechnen. Auch bei
den lebenden Wesen werden wir in letzter Instanz diese Grundformenrerhältnisse auf die
stereometrischen Formen der Atome und Moleküle der Substanzen zurückführen müssen,
aus denen die Organismen aufgebaut sind.
Ist diese Ansicht richtig, so yersteht man unschwer, wie es kommt, daß in allen
drei Naturreichen, dem der Gesteine und Kristalle, dem der Pflanzen und dem der Tiere,
rielfach dieselben oder doch ganz ähnliche Grundformen auftreten. So können aus einer
einfachen Mischung von Flüssigkeiten yerschiedaier Dichte, also durch Diffusion, Gebilde
entstehen, die durch die strahlige Anordnung ihrer Teile ganz auffallend an den Aufbau
Ton Medusen erinnern. Das Verfahren zur Erzielung solcher Formen ist sehr einfach.
Übergießt man Flüssigkeiten, die zwar mischbar sind, aber verschiedene Dichte haben,
vorsichtig, so werden sie, )e nach ihrer Schwere, zuerst getrennt bleiben. Mit der Zeit
aber vermischen sie sich. Dieser Vorgang der Diffusion erzeugt seltsame Figuren, wie in
diesem Buche Seite 51 gezeigt ist. Diese kunstvollen Formen entstammen den Experimenten
des Professors Leduc in Nantes, der selbst darüber (im ^Mikrokosmos") folgendes schreibtt
„Man breitet auf einer Glasplatte eine zehnprozentige Gelatinelfisung aus, der man eine
Salzlösung zugeführt hat, z. B. einen Tropfen der schwefelsauren Eisenlösung auf fünf
Kubikzentimeter der Gelatinslösung. Nach Auftragung der Gelatine setzt man auf
deren Oberfläche in systematischer Lagerung voneinander Tropfen verschiedener Lösungen
zu, wie Ferrozyankalium, Kupfersulfat, Eisensulfat usw. Die danach entstehenden
Muster hat kein denkender Geist entworfen, keine geschickte Hand gezeichnet, sie sind
der spontane Ausfluß physikalischer Kräfte."
Am reinsten ausgebildet findet man die idealen Grundformen in der Wirklichkeit
bei Kristallen, die sich haben einzeln bilden können, ohne durch andere Kristalle oder
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sonstig:« Stoffe behindert zu sein. In den meisten Fällen stöfit der sich bildende Kristall
atif Hindernisse verschiedenster Art, und die Gestalt erleidet allerlei Deformationen. In
der lebenden \Felt findet man die idealen Grundformen einig'ermaßen genau verwirklicht
nur bei frei im W^asser lebenden kleinen, aus einer oder nur einigen Zellen bestehenden
Organismen, die sich nach allen Seiten hin unbehindert entwickeln können. Der weiche
Protoplasmakörper eines Radiolars kann sich als vollkommene Kugel ausgestalten und
in diesem Weichkörper kann sich das Skelett mit stereometrischer Regelmäßigkeit gleich
einem Kristall entwickeln. In der Tat findet man bei den Skeletten der Radiolarien
alle Grundformen vertreten, die man theoretisch konstruieren kaim.
Bei den Organismen kann man vier Klassen von Grundformen unterscheiden,
die folgende Eigenheiten aufweisent i. die natürliche Mitte des Körpers ist ein Punkt;
2. die natürliche Mitte des Körpers ist eine gerade Linie oder Achse; 3. die natürliche
Mitte des Körpers ist eine Ebene: 4. die Körper sind ganz unsymmetrisch, unregelmäßig
gestaltet.
f. Die reine Kugel, die die erste Grundform verwirklicht, ist vielfach bei im
Wasser lebenden einzelligen Tieren und Pflanzen vertreten. Häufig ist die Oberfläche
der Kugel nicht glatt, sondern aus kleinen Feldern, Facetten, gebildet. Diese Formen
finden sich oft bei Radiolarien, bei den Blütenstaubkömem höherer Pflanzen u. dgU
2. Die zweite Grundform, bei der die Körpermitte eine gerade Achse ist, findet sich
vielfach verwirklicht. Entweder kann diese Hauptachse allein vorhanden sein, oder es
lassen sich noch andere unterscheiden, die diese Hauptachse unter rechtem Winkel schneiden,
die sogenannten Kreuzachsen. Organismen mit Kreuzachsen kommen sehr zahlreich vor,
z. B. bei den Sternstrahllogen (Acantharien) unter den Radiolarien. Ferner gehören in
diese Gruppe alle festsitzenden, radial gebauten Polypen, Korallen, unter den frei-
lebenden Tieren die Medusen, die regulären Sterntiere (Echinodermen), alle radial ge-
bauten Blumen, also die große Mehrzahl der Mooocotyledonen oder Einblattkeimer, aber
auch viele Zweiblattkeimer oder Dicotyledonen.
3. Ist die Mitte des Körpers eine Ebene, so zerteilt diese ihn in zwei symmetrisch
gleiche Hälften, in eine rechte und eine linke. Man kann bei diesen zweiseitig
symmetrischen Körpern drei Achsen unterscheiden, die aufeinander senkrecht stehen. Zur
Erläuterung stellen wir uns irgendein höheres Tier, z. B. einen Hund vor. Zunächst
geht eine Längsachse von vorn nach hinten durch den Körper hindurch. Die beiden
Pole der Achse sind ungleich, vom ist die Nase, hinten der Schwanz. Eine zweite Achse
steht senkrecht auf ihr und läuft von oben nach unten. Auch ihre beiden Pole sind
ungleich; oben ist der Rücken, unten der Bauch. Endlich gibt es noch eine dritte Achse,
die auf den beiden vorherigen senkrecht steht und von links nach rechts verläuft; ihre
beiden Pole sind gleich, denn die rechte und linke Körperhälfte sind gleich, allerdings
nur spiegelbildlich. Die einzelnen Teile, die die beiden Körperhälften zusammensetzen,
haben mit Bezug auf die Körpermitte dieselbe relative Lagerung. Sie verhalten sich zu-
einander wie der rechte und linke Handschuh oder wie das Spiegelbild zum OriginaL
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Diese bilaterale Grundform ist für uns Menschen schon allein dadurch von ganz
besonderer Bedeutung'» weil wir selbst nach ihr g^ebaut sind. Wir teilen diesen Bauplan
mit der fiberwiegfenden Mehrzahl aller höheren Tiere. Ein flüchtiger Überblick über das
Tierreich und über viele unserer Tafeln zeig;t sofort, daß alle Wirbeltiere, Gliedertiere,
Weichtiere, Wurmtiere zweiseitig symmetrisch gebaut sind. Es sind das alles Tiere, die
sich, mit dem Bauch nach unten, dem Rücken nach oben, nach einer bestimmten Richtung
hin ursprünglich auf einer festen Unterlage, dem Erdboden, fortbewegen. Für eine der-
artige Bewegung hat sich diese Grundform im Laufe der Entwicklung offenbar als die
zweckmäßigste erwiesen; sie hat sich daher durch natürliche Zuchtwahl befestigt, erhalten
und ist durch Vererbung selbst auf diejenigen Tiere übergegangen, die den festen Boden
zeitweise verlassen und sich in der Luft oder im Wasser frei bewegen, wie z. B. die
Insekten, Vügel, Fische.
ist nun jedenfalls^'nicht nur sehr interessant, sondern höchst beachtens-
wert, daß der Mensch seine künstlichen Bewegungsmaschinen, Wagen,
Lokomotiven, Schiffe, genau nach dieser bilateralen Grundform baut.
Auch bei allen diesen Erzeugnissen menschlicher Technik kann man
die drei Achsen unterscheiden; die erste geht von vom nach hinten
und ihre beiden Enden sind ungleich; die zweite verläuft von oben nach unten
und hat ebenfalls ungleiche Pole; die dritte von rechts nach links verlaufend,
hat symmetrisch gleiche Enden. Ursprünglich laufen alle diese küiutlichen Fort-
bewegungsapparate auf dem festen Boden. Neuerdings aber hat sich der Mensch auch
in die Luft erhoben, und siehe da, die Flugmaschinen und lenkbaren Luftschiffe besitzen
denselben Grundplan ihres Baues. Wohl gibt es auch andere Luftfahrzeuge, die Luft-
ballons, die nicht bilateral gebaut sind, sondern radial, ähnlich den Medusen. Offenbar
aber hat sich diese strahlige Bauart für Bewegungsmaschinen nicht bewährt, denn sie
ist auf einige wenige Abteilungen niederer Tiere beschränkt geblieben, während alle
höheren Tiere bilaterale Bauart aufweisen. In ähnlicher Weise eignen sich auch die
Luftballons nicht als Bewegungsmaschinen, wenigstens sind sie nicht lenkbar, d. h. man
kann sich mit ihnen nicht nach einer bestimmten und gewünschten Richtung hin bewegen.
Sie sind den Luftströmungen fast ebenso ausgesetzt wie die radial gebauten Medusen den
Strömungen des Wassert, in dem sie leben.
Zweiseitig symmetrisch sind auch sehr viele Blüten. Ursprünglich sind wohl alle
— als frei in die Luft hineinragende Endorgane einer Pflanze — radial gebaut gewesen
wie viele Beispiele auf unseren Tafeln deutlich erkennen lassen. Stehen die Blüten aber
dicht zusammen, behindern sie sich gegenseitig in der freien Entfaltung ihrer Teile oder
stehen sie seitlich an einer Achse und entwickeln sich infolgedessen an der von der Achse,
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dem Stamm oder Stengel abgewandten Sehe anders wie an der entgegengesetzten Sehe,
so entstellen bilaterale, zweisehig symmetrisclie Blüten, wie sie z. B. die SclimetterlJngi-
blütler (Bohnen, Ginster, Klee) and die Lippenblumen (Bienensaag) beshzen.
Auch im Tierreich sind yielfach Tiere oder Teile davon, die ursprünglich radial
gebaut waren, infolge ihrer Stellung bilateral geworden. Sie mufiten sich neuen Ver-
biltnissen anpassen und haben infolgedessen neue Gestalten angenommen, Umbildungen
mancherlei Art erlhten. Eine aufmerksame Betrachtung unserer Tafeln wird das Gesagte
besser erläutern als viele Worte.
4. Die letzte Grundform ist völlig achsenlos und unregelmähig. Hierhin gehören
zunächst die niedersten aller lebenden Wesen, die ein formloses Stückchen Protoplasma
darstellenden eiiuelligen Amöben und Verwandte. Ferner sind ganz unregelmäßig viele
Schwämme und Korallen. Beide sind in der Regel Kolonien von Tieren, sogenannte
Tierstöcke, die aus Hunderten und Tausenden von miteinander verbundenen Eituelheren
zusammengesetzt sind. Während die Stöcke selbst vollkommen unregelmäßig sind, wie
auf einzelnen Tafeln zu sehen ist, können die Einzeltiere manchmal ihren ursprünglichen
radiären Bau beibehalten.
j|us den von uiu kurz skizzierten wenigen Hauptgrundformen, die ihrerseits
natürlich manche Abweichungen und Ausgestaltungen im einzelnen er-
kennen lassen, setzt sich die ungeheure Mannigfaltigkeit aller Lebeformen
zusammen und diese immer wiederkehrende, aber nie gleiche, sondern stets
wechselnde, allen möglichen Lebensbedingungen sich anpassende, ursprünglich
stereometrisch reine Grundform, deren vollkommenste unserem eigenen Körperbau zu-
grunde liegt, ist es eben, die uns beim Betrachten der uns umgebenden Natur ästhetisch
so sehr befriedigt.
Unser Schönheitssizin, unser Lustgefühl bei Betrachtung der Naturkörper wird aber
auch noch durch andere Verhältnisse ausgelöst als dtirch die besprochenen Grundformen.
Schön finden wir auch die Wiederholung einer einfachen Form in einer Linie oder in einer
Fläche. Solche reihenförmigen Anordnungen zeigen zum Beispiel viele im Wasser lebende
Pflanzen, die Algen, gewisse Tange (Meerespflanzen}, die Nesselknöpfe an den Fangfäden
der Medusen, spiralig um eine senkrechte Achse angeordnete Blüten, die reihenartig gestellten
Einzelpersonen von Polypenstöckchen. Sie erinnern an die Perlenschnüre des menschlichen
Kunstgewerbes, die seit den Urtagen der Menschheit zum Schmock verwandt werdetu
Flächenartige Anordnung gleicher Teile beobachten wir bei vielen niederen Pflanzen aus
der großen Abteilung der Kieselalgen oder Diatomeen, bei im Süßwasser massenhaft vor-
kommenden Grünalgen, auf den Bildern von mikroskopischen Durchschnitten durch
Pflanzenteile. Hübsche Flächenbilder geben auch die Oberflächen von Blättern mit ihren
2^1en und den sie voneinander trennenden Zellwänden. Die Gehäuse gewisser
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amöbenartiger Tierchen zeigten ein zierliches Mosaik aus kleinen Kieselplättchen, dU
Oberfläche der Augfen der Insekten ist aus regfelmäBig' g:elagferten Facetten g^ebildet, die
Zungfe oder Reibfläche der Schnecken besteht aus einer oft ung^eheuer großen 21ahl
winzigfer Zähnchen, die in ihrer reg;elmä£ig:en Anordnung' in Quer- und Läng;sreihen an
gfewisse moderne Tapetenmuster erinnern. Überhaupt bedient man sich im Kunstg;ewerbe
und in der Technik einer solchen linearen oder flächenartigen Aneinanderreihung gleicher
oder ähnlicher Gestalten schon lange. Die Weberei, Stickerei und die Drucktechnik
liefern hierför mannigfache und überall vorhandene Beispiele.
u dieser nach bestimmten Gesetzen erfolgenden Anordnung der Teile eines
Organismus, die wir als schfin empfinden, tritt nun noch verstärkend hinzu
die Färbung, die viele Tiere und Pflanzen (aber auch Mineralien) schmückt.
Wir bewundern das gleichmäßige Blau eines wolkenlosen Himmels, lassen
unser Auge ausruhen auf dem ununterbrochenen Grün großer Waldungen
und ausgedehnter Wiesen. Noch mehr aber geraten wir in Entzücken, wenn gleichfarbige
Flächen durch anders gefärbte in bestimmter Weise unterbrochen werden. Eine blumen-
reiche Alpenwiese erfreut uns mehr als ein gleichförmig grüner Raseni und wenn wir
heute großen Wert auf einen farbenprächtigen Balkonschmuck an unseren Häusern legen,
so heißt das doch in erster Linie, daß wir die Unterbrechung des meistens eintönigen
Hausanstrichs durch andere Farben als schön empfinden.
Nicht viel anders ist es bei den einzelnen Blumen. Gewiß, auch einförmig gefärbte
Blumen können nach unseren Begriffen schön seini in der Regel aber werden wir, gleich
den blumenbesuchenden Insekten, solche Blumen vorziehen, die auf ihren Blumenblättern
noch Jene oft so entzückenden Muster von Strichen, Punkten und Flächen von anderer
Farbe aufweisen, die biologisch fast immer die Aufgabe haben, den Insekten den Weg
zum Honig zu zeigen.
Die oft so wundervolle und mannigfaltige Färbung der Laubblätter unserer herbst-
lichen Waldungen ziehen die meisten Menschen dem monotonen Grün des Sommers ent-
schieden vor. Blutbuchen, Silberpappeln und ähnliche Gewächse sind in unseren Gärten
und Anlagen gerade deshalb so beliebt, weil sie von den meisten anderen Pflanzen ab-
weichend gefärbte Blätter besitzen. Die Blätter der als Topfpflanzen so beliebten Begonien
verdanken ihren Reiz den vom Grün ahstechenden Flecken auf ihrer Oberfläche.
Wer hat noch nicht die Farbenpracht der Schmetterlinge bewundert, auch wenn er
nicht die herrlichen Vertreter der Tropen in den Museen oder gar lebend gesehen hat!
Und wer wird nicht erfreut beim AnbUck einer Sammlung auserlesener metallglänzender
Käfer. Und wie eine wahre Farbensymphonie muß es auf ein empfängliches Gemüt
wirken, wenn man im Tropenwald Kolibris und Paradiesvögel, Papageien und Tukane
umherfliegen sieht.
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hin wir unsere Blicke auch wenden mfis^ent Steigfen wir hinab in den
Stollen eines Erebergfwerkes und beobachten im Schein der einsamen Berg;*
mannslampe das Schimmern und Leuchten der Erzstufen und der Kristall-
drusen; bewundern wir im Winter an unseren Fenstern die zierlichen Eis-
blumen oder g;elingt es uns sog;ar, einige Schneeflocken unter dem
Mikroskop zu betrachten; untersuchen wir den g;ereinig;ten Radiolariensch 1 amm der
Tiefsee oder die fein ziselierten Schalen der Diatomeen aus unseren Teichen und
Tümpeln; erg;&tzen wir uns an dem wallenden und wieg;enden Spiel der farbenprichtig;en«
durchsichtig;en Medusen; beobachten wir, wie bunte Schmetterling;e sich sorglos übet
blumigen Wiesen schaukeln und nur dann und wann sich zum flüchtigen Mahle auf
eine Honig enthaltende Blume niedetlassen; berauschen wir uns an der unerhdttcn
Farbenpracht eines Sonnenuntergangs in warmen Lindem oder auf tropischem Meere;
steigen wir hinauf in die Einsamkeit der höchsten Alpenregionen mit ihrem ewigen
Schnee und Eis; erheben wir uns, dem Vogel gleich, in die Luft und blicken wir auf
die tief unter uns ▼orbeiziehende Erde hernieder; immer und überall tritt uns eine Fülle
▼on Schönheit entgegen, für die eigentlich erst uns modernen Menschen das rechte Ver-
ständnis aufzugehen beginnt.
Je mehr wir uns in die Natur und alle ihre Erzeugnisse Tertiefen, je mehr
wir unsere Augen öffnen und mit klarem Blick hineinschauen in alle die Wunder um
uns, um so höher steigt unsere Bewunderung vor den Stoffen, ata denen unser Planet und
wir selbst bestehen und vor den Kräften, mit denen sie begabt sind. Und wenn wir
erkennen, daß bei aller Verschiedenheit im einzelnen die Natur eine große Einheit ist,
beherrscht von allumfassenden Gesetzen, denen auch wir unterworfen sind, dann mag wohl
in unserem Herzen ein neuer Gottesdienst herTorsprießen und wir finden unsere höchste
Befriedigung darin, daß es uns mit den Fortschritten der Wissenschaft immer mehr
gelungen ist, Jene Gesetze zu erkennen und zu enträtseln, „was die Welt im Innersten
zusammenhält“.
Die chemischen und physikalischen Nattrrgesetze haben uns in den Stand gesetzt
unsere materielle Kultur durch eine ungeheure Entwicklung der Technik mächtig zu
heben und zu verbreiten; die Kenntnis der biologischen Gesetze befähigt uns, unser in-
dividuelles und soziales Leben mehr als bisher in EinkUng zu bringen mit der Natur
und die Menschheit mehr und mehr von ihren zahlreichen Feinden, den Seuchen und
Krankheiten, zu befreien; die Gesetze, die den Schöstheiten der Naturdinge zugrunde
liegen, sollen uns in Zukunft anleiten, auch unser eigenes Leben harmonisch zu gestalten
und künstlerisch zu Teredela. Indem wir die offenen und verborgenen Schönheiten der
Natur uns Muster sein lassen und uns bestreben, sie zur Grundlage unserer eigenen Kunst
zu machen, werden wir diese selbst reicher ausgestalten «md neuen verheißungsvollen
Zielen entgegenführen.
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NAtÜrlichc Flächciunustcr! Der Winter aIs ICünStler* Eiiblumen (Aufnahmen vom Obscr>a(oke Royale d< Beifiqucj
Re<ht$ olnrn: Verschneiter TAnnenzweig (Phot. Oebr. Haedel, Berlin).
Haediel U
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r^atürlichc Flächenmuster* Flechten (MaicrtaJ Ltanaca, Naturvixsrai(haftL Inxiicut Bcrtln).
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Struktur von Malm und Molz. t.lnke RcUk* (von oben nach unten): Querschnitt des Stengels der Teichrose
Oredinophoiofraphie*Ard>iv, Friedenau)/ des Stengels der Palme (bnks); der Stieleiche (redtts); einer dreijährigen Linde
(Material der Lionaea. Berlin). Reditc Reihe: Querschnitt des Grashalms (l’hor. ilani Dopfer. MQndven) und Dünnschnitte von
Esche« Silberweide« Stieleiche (Material der tlnnaea. Uerlln).
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Bluten und Früchte« otxn: Au(spring<nd< Früchte des Weidenröschens« aus denen die mit Flugbaareo vcr
seheneo Samen frei werden. — Gemshorn-Martynie (Frucht) (l’hoipgraphien von Han* Dopfer, MOndien).
Uwrrti: Artischockenblüte (t'hot. IVau-IH Alinari, Harem). '
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Ob«n: Mittel (PboL IL Oesterreidi, Berlin). Unien PoDtitche Atftlie (Pbot Fratdli Alinjri, I'li>rcnz).
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Link«R«iKe: Ein« tropisch« Orchld«« fOdontoglossum)* — ^ciß« LiU« (PhcMc«frapMfn von FrattlU AUnarl, Floren*). Reiltte Rrilie
Zittergras (Phot. Hans r>opfcr, Mönd^en) und Papagci*Tulp« (Phoi. Hl Ocnerrekh, Berlin).
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Hornkriut Ptiot. Ham Dopfcr, MQfKhi*i>). Ginscblümchcn! ValdmtUlcr- Um«i' Grüner Streifenfarn» (Die Irt-ien
3 rhofOjfrapJiii'i» vcMi O.’orj E- !•. Sdmlx. HrrUn^Prirdeiuu.)
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OUcn: Peruanischer PfeÜerbaum* Unten. Weintraube* Johannisbeere (Photographien %*on Fratdii Alinari, Floren:}.
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Oben: Vcidenkitzchcn (Photographie von R Oeaierrcidi, Berlin). Unten: Trichtcrwlnd« (Phot. Pracelti Altnari, Florenz).
Trocnpetcabaum (Phot Henry Irvinfj Goldtivom« Lefdiworch).
MaeArf J2
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Oben: Mammutbaum mit Znpfrn). Zaiplen der Edeltanne« Unten redvrs: See* oder Stemktefer« (Drei Photjfrjpbie«
v\>tj Henry Irving, Ov^Miltcnn, l.etdiwon*! . Links: Zcrr*Eiche (Phot. PratcIIi AHnarl, I*Iorens><
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93
Oben: BtgnonlcngcfUcht (Phoc. }Uns Dopfer, Manrfien)/ JapanUche Zwergkoniferen iPhoio^raphien von J. C. S<firoidt aus
. Erfurt, Berrin^Charlonenburf und Marirnfeldr). Urnen: Ptnienlandschaft (PNof. Fratetli Atinarl. f’lorcni).
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Oben: Zwicbclil^er SchirmplU (tink%). Ritterlln|( fredtis) <H>oto$r;)}>hien von Hans Dopfer, Mflmlten)/ Waldidyll (in der Mine)
(htot II. Oestcrr^tJi. IkrUn,. Uuteti; Ackerschachtclhalm (Frtfchttricbe); Schleim - SchirmplU am Buebeostamm
ii'Kotographien von Oeorg F. Sdnilx, Rerlin^Friedcnau).
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»»Doppelginger'*» Ähnlichkeiten hu Pflanzen* und Tierreich« Oben: Pilze (Abfcfladitcr PoHlnj; an altem Stubben# darunter
gelber Ziegenbart/ re<bl9 daneben rötlidver Zieeenlurt oder Hahnenkamm). (Photographien von Georg E. F, Schulz, Berlin.) Unten: fCorsIleo
(rn der Mitte ein Seettem)» (Phot. K. Diedcrkht. Eutin.)
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Der Schmuck des Meeresgrundes und der Küsten. Oben: Korallen mit Scettemen; Kalkgerüst eines See-
igels (ohne Nadeln) (PlK’iojr.i|'h:eo ven K. Dioterbiis, Lutiii . 1:1 der Miltes Seerosen, im Hintergründe Seetang (Vhat. Neue
i'haiosraiih. CiesclUA-ifi- Sieei;:;;. Unten: Seesterne (Phot, K. iJlederidis, P.uiin). ,p ^ kjOO^Ic J
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ICprancn und Kondleatkelctte 0 l'hoiographien vm K. Dicdcnihs, Euiin/ je 1 von Gcbr tiacdd und Dr. I'ranz SioeUmer, B<rfin).
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Die Wunder der Xicfscc. Oben: Drei Glasschwimmcr VOR Prof. Siiiutxc, Berlio (Aas «rProf. F. E. SebuUe. AmcriiuAis^
llriactinfnidm'*. Verijg Ouujv FiiAer« )ena). Unirn links: Korklleo und Schwimme (Aus „CsH Cliuii,Aus den Tiefen des Writmeacs*
Verijf Ousuv Fisdkcr, Jena). Rethis: Glasscbw&mm (Phot K. Dlederichs« Eutin).
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Unkst PeoUcHoui» ctoc Seclillc. Re<hcs: RindcDkorAilcn. In der Mine und rt<fits unieni SchUngensteroe» sich diran
aoklaaioierod« (Aus MCart Chuo, Aus den Tiefen des Weltmeeres"» Verlag Gustav Fisdtcr, leiu.)
Kaeckel )3
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ölxn: Ti<{ftc«fischc* (NjiüjIuIk o<1fr *rntg vrrMdnerte MornfniatifnaKme nnif» dem Leb«nO Uoicn: Eio Ticfseekrcbs (HomoJiJeV
ntil Siinigfvoh und Silieren am hinterm Fuß|iiar. (Aus „Carl Chun, Aus dm Tiefen des Wefimeeres". VerUf Gustav l'iseber. ^ '
tOf
rtydf old-PoIyp mit Meduscnknotpca (Phot. 0<br. Har<iH. Bo^in^ Recht» unten] KompAfi'Qu^c (Phot. Neue Photograph, üesdl«
achati. Steglic).
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Oben: Seeigel * SkeUttc« Ument TausendjÄhnge KopllüBer* Versteinerte Rieten > Ammoniten tut der Jtsrtieil*
<l'ho(c>graphien von K. Diederidu, Huitn).
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Muscheln und Schneckengchluse. Oben links: Durchschnitt durch einen Nautilus« vMaeerUJ der Unnaea. N'jrur«
vis^etucturilidies Instirut, Berlin.)
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Mikroskopische Emblicke in die Tierwelt* (Von link» nach rrd>t9.) Ob^n: Mo&aikgchäusc eines nur aus einem form-
losen Protoplasmaklumpchcn bestehenden Wechseltierchens, erbsut aus selbstfAbrizierten ovslen KicselpUttcben
(iOOlAch'. Lin^sschnitt durch ein InsektcnAu$;e. SchwAnentierchen« In der Mine: Querschnitt durch ein Mücken*
AU];c« Riechgrubchen mit Ricchke^cln von einem Fuhlerblattchen des Maiklfers. Unten: Auge und Fühler eines
Käfers. 'Teil vom NetCAuge einer Stubenfliege (rtiotojr;i]>hien von H. Rrukauf, Weimar, und Eü May.
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(\’on linkt rudt reifii».) Ot>cn: Spinndrüsen einer Spinne; Schmettcrlingsschuppen* H44re der SpeckkaicrUrve. In der
Mine: Spitze der Bienenzunge mit LöHcIchent Stückchen vom Fühler eine» NAChtschmctterlings (des Nagel-
ffecks); Rüuelstück eine» KohlweiBHngs. llntcti Querschliff durch die Wand eines menschlichen Röhrenknochens#
(l*t)o:og. Jt'*drn vc»n 12. May. Ok<fiat;, II. U#‘uk.iuf, Vt cimar. Te hpio-phoM^faph. Ardiiv, Uctlin^lneimau; Han» Dc*pf<r, Mündien/ Dr. Frani
Sicpcdciicr^ LnliiiO
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Ohcn tinki: K^umagcn der Feldgrille (f’hor. E. May, Os<1)atz). In der Miete und redtts: Teile von SchaeckenZttOgeo (Retbplanc.
(PhorograpWn von K. Uicderiftis, Huriii). Unten: Teil der ZungenoberfUcbe der Veinbergichneckej Teil von der Eisch^e
des Taumeikälert (Phoiogra{>liim von E. Reukauf, Weinui)«
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Exotische KAicfr Libelle uod Zirpen. Unke Reihe, von oben nn<h unten: HerkuleskAfer* Zikade; Domheu*
schrecke; Nashomklfer (Kamerun). Mitte: Ricscnbock; Brenthui aoebora^o; Riesenlibcllc; Langbein*
bock« Rechte Reihe: Goliath (Kamerun^: Latcmenträger; indischer Latcrnentrlgcr; Gespenstlaulklfer.
(Maiefi;il von Eugioe Rey, BeHIn.) Digitized by GoOglC
Haedtd 14
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OIh*o (r«rfitv>; Fi0j>cl dcr Südjmerikdnischen Riescneulc. des größten NAcbUchmctterltngSr V« njtOrl. OröAr (Phot
K I)t.r^ri<h8. l ifin/j (iinki> Fledcrmaushaar fPhot. I*. Rntk^igF, WVimar). Unti^: (ünks) Flügel det Amkaniftchcn Ritten* dn
größten Taglaltcrs* natQrl. Oröl^c. (rcduk) Unterseite des Flügels des Brasilunttcbcn Augenlalters* ’.a natürl. GröAc (Phoi
K. I>ie<l<Tich%. Kutin,, ln d«r Mnte (oben); Fischschuppen (Phot. U. M.tv. Osfh.it:)/ (unten) SträhUtück einer Taubenfeder
(l*h^t. E. kcuk.iuf. \\>;t«4/).
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ExotUche SchmettcrUngc« (Von oben njicfi un(«.*n.) Linke Reihe: Brook'scher Segler} Javanischer Scbwalbeoschwanc;
Australischer Ritter« Mitte: Mondspinner} Südaftikaoischer Nachtscbwalbenschwanei Atlaispinner» Blauer
Schwalbenschwanz« Reine Reihe: Australischer Segler} lodo-malayischer Nachtscbwalbenscbwaoz} Indo-
australischer Schwalbenschwanz. (Material von llu^ene R<y, Berlin.)
D gilized by CiOOgle
no
Baumrinde und HoUstucke mit den Bohrgäogen von KiferUrveiu (Material vob Eug^ Rry, Reriin.)
Au der linken Seite, von ol*cn unten gehend, ein Ast von der Rinde embldUl, mit den »ie Venierunfcn virfcenden Bohrg&ngcft )O^Ic
Spinnennetze (redin obea mit TautropFenX Photographien von £. Dubots«Reymond, Berlin, und GehrOder Haedid, Berlin.
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H2
Kunstvolle Vogelnester (Mjurrijl dei’ linnarj. Brrfin). CM»m in der Mitte: ein KolibrlACSt an einer
Wäscheleine (Materijl von Hu^^e Rey, Berlin).
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I
Selttamc 'Ticrgcstaltcn. Oben: Fliegender Hund (Mjreii;il «ier Limuea, RoHm'. Unirn (von linkv na>b rcdir%): Domschw
Eidechic (Phot. Oebr. Ibodci, Berlin}/ Kampfhahn (Material der l.tnnaea, IWrlin}/ Ubu in ICampfstellung* Gcitrcilte K.lap
schlänge (Internat. Photo« Archiv M. Koh, Hcriin).
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114
Stotze Schönheiten. Obeo: K.ronen-Kranicb; Schwäne (i'hoiographirn von Gcbr. Haeckcl Berlin); Pfauentrogon (OuaiemaUs
>X'^ppcnvogct;. Unten: Papua-Paradietvogcl; Arguafatao (die letzten 3 Photographien vom Internationalen PhoiO'Arthiv M. Kodv Berlin)
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ANHANG
ERNST HAECKEL* Eine Skizze seines Lebens
E rnst Hacckcl» der ^Bc Jenaer Zoologe and Natttrphilosoph» der Schfilcr» Freood «ad
Nachfolger Darwüu» der begeisterte und mutige Freldci^er» der Gelehrte» Künstler
und vielititlgc Schriftsteller» wtxrdc am Ib. Februar 18B4 ln Potsdam als Sohn des Ober-
regierungsrats Karl Haeckel geboren. Noch In Haeckels Geburtsjahr wvrde der Vater
an die Regierung nach Merseburg verseUtl In dieser Stadt hat der junge Emst dann auch
seine Kinder- und Jugendjahre rerlebh Nach dem Besuch der Volfuschule und des Dom-
g^mnaslums machte er an letzterem am 24. Mira 1B52 sein Abiturientenexamen* Schon In
jungen Jahren zeigte sich bd Haeckel Liebe zu den Natunrlssenschaftea» und er hatte die
Absicht« ln Jena bei Schleiden Botanik zu studieren* Ein kleiner Unfall ▼erblnderte das
zunichst und Haeckel bezog Ostern 1862 die Unhrersltit Berlin» wo Ihn namentlich der
Botaniker Alexander Braun fesselte» wihrend er den Vorlesungen des Zoologen Ehren-
berg keinen Geschmack abgewinnen konnte*
Sein Vater hatte den V^unsch aissraprochen» er mögt zur Sicherung seines spitera
Lebens Medizin studieren* Um diesem Wunsche nachzukommen» ging Haeckel Im ▼Inter
1862 nach ▼ürzburg. Hier h6rtc er bei den damals berikhmten Professoren Albert KAlliker
und Franz Leydlg* Auch lernte er hier den Anatomen Carl Gegeobaur kennen» der Ihn
sp&ter veranUBte» sich ln Jena als Dozent nlederzulassen. In Wörzburg blieb der junge
Student drei Semestert Ostern 1864 ging er wieder nach Berlbi» und jetzt war es der groBe
Zoologe und Physiologe Johannes MOller» der den gewaltigsten EinfluB auf Ihn ausBbte»
so dao er sich definitir entschlofi» sein Leben der Zoologie zu widmen* MuUer war et
auch» der Ihn ln das Arbeitsgebiet einführte» auf dem er sp&ter so GroBes leisten sollte» In
die Naturgeschichte der sogenannten niederen Sectlere*
Zunichst aber muBte das medizinische Studium «oUendet werden; demzufolge Hng
Haeckel Im Frühjahr 1856 wieder nach ▼Brzburg* diesmal baupts&chlich» um bei Run oll
Vlrchow zu hören» der dort als Reformator der Medizin auf der Höhe seines Ruhmes
stand. Er wurde Assistent Virebows und bat damals wohl nicht geahnt» daß er spltcr^la
seinem Lehrer und Freunde einen so erbitterten Gegner finden sollte.
Am 7. Mlrz 1867 promovierte Haeckel zum Doktor der Medizin* Dann benb er
sich nach ▼!«!» um sich ln den klinischen F&chem weiter auszubilden* Bereits Im Winter
desselben Jahres machte er sein Staatsexamen und darauf ließ er sich In Berlin als prak-
tischer Arzt nieder ^ mM Sprechsttmden von 6-b Ubr morgens*
Damit war des Vaters Wunsch erfüllt und er erhielt bald die Erlaubnis» ein ganzes
Jahr ln Italien zubringen zu dürfen. Hier lernte er den lAarscbendichter Hermann Allmers
kennen» mit dem er treue Freundschaft schloß. Die wunderbare Natur Italiens bitte ihn
fast veranlaßt» die Wlssemcbaft zt^ verlassen und Landschaftsmaler z« werden* Wenn
SB nun auch nicht so weit gekommen Ist so tst er doch »sein ganzes Leben hindurch der
L^ndschaftsmalerei ^reu geblieben und er bat von seinen vielen Rrlsen Welt über 1000 Aqua-
relle belmgebracht von denen einige unter dem Tttcl »»Wanderbilder^ spiter im Druck
erschienen sind.
Entscheidend für Haeckel war srin Aufenthalt In Messina* IBer untersuchte er
die dort vielfach vorkommendeo Radlolarleo» die er durch Johannes Müller kennen
gelernt hatte. Br fand zahlreiche neue Arten und konnte 18ü2 seine erste groSc
»»Monographie dar Radlolarlcn** mit 36 prachtvollen Kupfertafclo berausgeben»
ein Werk» durch das er seinen Rul als Zoologe für fnuser begründete und das höchste
Lob der damaligen Zoologen erntete*
Wihrend der Arbeit an diesem Werke hatte er sieh in Jena als Privatdozent nieder-
gelassen; 1862 wurde für Um eine auBerordentlIcbc Professur für Zoologie begründet aber
erst 1865 wurde ein ordentlicher Lehrstuhl für Zoologie errichtet» nachdem Haeckel einen
Ruf nach Würzburg abgetchnt hatte* Ina August 1862 vcrmlhltc steh der junge Professor
mit seiner Cousine Anna Sethe; leider aber starb die junge Frau schon am 16. Februar 1864»
also gerade an seinem 30. Geburtstage» nach einem glücklicbcn und vielversprecbcnden
Zusammenleben. Haeckel hat den allzufrühm Tod der HelBgelicbten niemals überwunden»
die in jeder Hinsicht eise harmonische Erginzuag seiner Persönlichkeit gewesen sein muß*
Wihrend seines Aufenthalts Io lullen war Charles Darwins Buch »»Ober die
Entstehung der Arten** erschienen und Haeckel lernte ca nach seiner Rückkehr In Berlin
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gicteb kMUMd. E* packte Uw fraraMa tmd achoa ia tchum RadloUricawcrk bckaaete
er eich ab Aahtagcr der eenen catnrlcklungetheorie. tm September tS63 hielt er anf der
NatBriorecherTenainmlimg ln Stettin den eretea Aifenllicbcn Vortrag über die Eatwicklangi*
thcorle nnd aelt dleaet Zelt war er ln DeutachUad der «nbeat^ene Ffibrcr der nenen
Bewegnng and mit Recht nannte man Ihn eptler den dentaehen Darwin. In Jena bad
er In dem genialen Anatomen Carl Gegenbaur einen gldchgealnntea Freund) beide waren
davon dberxeogt, daS die neue Lehre die geaammte Mologbche Vltaenarhaft om-
geatalten und einen gewaltigen Einilufi aal die weltanacbauong haben werde.
Die neuen« durch Dairwla angeregten Gedanken iöhrten lur Abiaaaung dea be-
deutendaten Verkea, daa wb Hacckel Terdanken, der aweibindigen ««Generellen
Morphologie**. Da daa Buch bei den engeren Fachgenoaaen aber keinen Ankbng fand,
aeine Vl'-kung aal dleae innkchat gleich Noll war« ao UeB er twei Jahre darauf (186t) unter dem
Thel „Natärllcbe SchBpfungagcachicbie“ einen für weitere Krebe beatimmlen Auaaug aua
einigen Abichnltten erachelnen. Dieaea Buch batte durchachbgenden Erfolg ) Aufbge folgte
auf AuQagel ln 14 fremde Sprachen wurde ea öberaelzt und wie kein anderca Buch bat
ca dato belgetragcn« den Darwlnbmua« die Abatammungalchrc nnd die allgemeine Entwlck-
longatbeorie bekannteumacben.
Der wichhgate FolgcachluB aua der Abatammungalehre bl der« daS auch der Mcnach
alcb aua niederen Tlerformcn« zunichat aua affeoihnUchen Vorfahren cntwickcH haben
muB. Hacckel bat von Anbng an« gleich Tb. Huxlcy in Engbnd und Carl Vogt bei una«
die Richtigkeit dlcaca Schluaaea anerkannt und er war bald der Führer in dleae: berBcbtigten
Aifenfragc. Nach kleineren Vorarbeiten UcS er 1873 aeine »Anthropogenie** etacheindw
daa IFerk. In dem Zum cratcnmal die ganze Entwicklungageichlchte dea Mcnachcn« ooto-
gcnetiach und phylogenetbch« dargcatcUt und der Stammbaum dea Menaebcngeachlecbb
en'wickelt wurde. Oicae gewaltige Arbeit urar erat mBgUch geworden durch AublrDung
dea biogcncllf eben Grundgeaetzea und der Gaatriathcorle« der beiden
bedeuteodaten Gcfatcatatea Hacckcb« durch die er die damalige Zoologie amgeformt und
auf eine hftherc Stufe erhoben bat. Nach dem blogcoctbcbcn Grundgeaetz durchliuft )cdca
Tier bei aetner Entaricklung aua dem befrachteten El eine Reihe von Formzuatftnden« die
denen entaprechen« die die Vorfahren dea betreffenden Tierea Im Laufe der geoIogl>cbett
Eolwicklung dureiwemaebt haben. Die individuelle Entwicklung, die Ontogeneab, bt ein
Auazug aua der Shunmeaentwicklung« der Pbylogencaia. Die Gaalrkathcoric liefert den
Nachweb, daB alle echten Tiere von einer uralten« h6cht einfach gebildeten Stammform
abatammen« die noch heute in der lodhridnellen Entwicklung aller Tlerklaaaen ab ao-
genannte Gaatrala vorkommt. Auf Grund der Tataachen der vergldcbendcn Anatomie«
der Embryologie und der Paliontologle veraucble Haeckel mit Hille dleaer Tbeorieo die
Abatammung daa Mcnachcn von efniaebaten einzelligen ProUatenahnen an aufrukllrcn.
Aua der Erkenntnb der Ucriacbcn Abatammung dea Menacben ergaben alch
bcdeutungavolle SchluBfolgcrungen fär die Umgcataltung unaerer ▼cltanachauung. Seine
Anachauuogen in dleaer Beziehung bat Haeckel in acinen ▼erken ««Die Vcltrltacl** und
„Die Lcbena wandef niederguegt. Seine ▼cltanachauui» bt der naturwiaacnaehaftlich
begrdodete Moniamua« eine Lehre« die gerade tn unaeren Tagen viel umatrltten wird.
Seit mehreren Jtiuta hat Hacckel acta Amt ab Profeaaor nlcdergelcgt« nachdem er
in Jena mit Untcratützung zabbclcber Freunde und Verehrer daa io Deutochbnd bb fetzt
einzig daalebeode ««PhyTctlacbc Muacum** gegr&ndet und der Uidveraltit gcachcnkt
batte. In dicaem Muacum aollcn die Bewebe fiir die Abatammungalchrc und Ka den
Darwinbmua ayatcmatiach zuaammcngcatellt werden. Mit dem Muaeum iat auch ein
„Pbylcltacbca Archiv** verbunden« daa u. a. die ganze Literatur Bbcr die Eatwicklunga-
Ichrc aowic zahlreiche Dokomente zu ihrer Gcichlchtc aufnehmen aoQ.
Trotz aeinci hohen Altera bt Hieckcl noch immer titlgl wenn ca ihm ofitlg cnebclnt«
greift er frlach und tapfer In den Geiatcakampf der Gegenwart ein« der dch fa ao vielfach
um Prinzipien dreht« die von Ihm zum eratcnmal klar formuliert worden atod oder die er
doch adt bngen Jahren an crater Stelle vertreten hat. Er hat in acinem langen Leben
triele« z. T. groBe Reben gemacht und hat mit aehr vielen hervorragenden PeraBnllchkelten
in Verbindung gcatandeo. Hleraua und aua aclner ganzen wbaenachaftlichen Titigkcit
ergibt aich eine Fülle der intcreaianteaten Lebcoacrlnncmngen« mit deren Sammlung und
Aulzeichnung er nunmehr aelt Jahren bcachkftlgt bt. Seine vielen Freunde« Verehrer und
Anb&ngcr aehen mit Spannung gerade dleaem peraBnlichatcn Buche des Altmebtcra in Jena
enlgegcn. der zu den markantcaten PeraBniichkelten unaerer Zeit gcbBrt« von dem daa
Dichterwart gilti
Ea kann die Spur von leinen Erdentagcn
Nicht in Aeoen untergeh’nl
▼ILKELM BREITENBACH
9
f
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IM Frobcnhu talsAddldi dn neoe« Kapttel der WeÜ®e*düdite «of-
fe«dila#cn hat, wird lüdil mehr ln Abr^ gettellt werden kdcuMn.
F. Sb (Sdi wi niurtfa) ta dM Neucftkn Necartdiicii*.
LEO FROÖENIUS
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konnle uad von fccincni sweB e n Mennbcn lUsl oder In ZuInmA wieder gesdirlebcn werden kenn, e
L Lindemann. Das deutsche Helgoland Vornehm ausgeslalleter Prachlband
mtt 113 andern. Gehcfiet Mark 7. — . fai deganlem Lelncnbend . . Mark 0.90 '
Dtoc* «Ucfi Freunden Hdgolandi «ItharUdi «rfllkommcne IWdi. da* den UnttAvfgan Ard der Nor^
• «ednael an VcrteMcr hat ffthrl den Leser In ansdiaiiHdier WeUe dl« Insd nnd Ihre DewohMT
vor Augeik Es sdilldert die Goolocic, 4c Gcstolhmi der DOnt, die Gesdtldde, dk Sag—. 4e faana
and Bora Helgolands, dk Sprache, GcsuAdhettsvcrMHalsee. den oft recht kumorvoUen Charahkr
der HeifoHndar, den Wert Helgolands als kUmadschm Kurort als Seebad usw.
Artur Fürst, Die Wunder um uns. Neue Elnblkke m Nalur und Tedmlk. MH
103 Abbildungen und Tafeln. Eleganler Prachtband Mark 6 . —
DIttscs Dudi Ist gleldi werteoll In den HSndea «rwaAsencr gebildeter Leser, wie
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69 Bilder aus der AussieUong «Stfittni dCT' Arbeit' und ein Anhang
mft 16 Blldem:
Die Poesie der Eisenbahn. Von HANS BALUSCHEK
WALTER BLOEM
An heimisdien Ufern
(Deutsche Ströme und Seen)
Mil 130 kOnstlerlKhen Aaftiahroen und einem ‘ farbigen Kmulblall
GEORG ENGEL
Auf hoher See
(Die deutsche Flotte in Bild und WorQ
Mit einem farbigen Kunslblall und ISO B<ldem, «
darunter GemSlde von Prof Bobrdt, Dtemer, Pdersen, SaUznsaiui. Sioejrer
Bisherige Auflage: 140000 Bände
tat dlcMr Anluig der «LeodtleiHien Stunden*, »direlbt dk «Tigtldit RundedMo.*
i«uiiaui CIII£sUVAC.IIU M« .^A PUI..I ..t.^ A^ ■■«oa.^U Bo Io«
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gm ^ und BUd wird der LeMr fc«e«*eU. b
ein feettidier Haredw da* nlt« OMtoddend «if und «k* (Berliner Tegcblali) «Deuledbe Hdmmiebc «ollcB
die Binde neu beeeelen. Jedem, der Vereilndnto rar dto iuim Geelelhing leiner Helmei Ar
Btf« Wildv und «U«a Stidle hai anOracn ale baudi bcrtlMA.*
Digitized by Googl
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